Süddeutsche Zeitung

Frage der Woche:Bekommt man am Toten Meer keinen Sonnenbrand?

Lesezeit: 2 min

Immer wieder ist zu hören, beim Urlaub am Toten Meer könnte man trotz Sonnenscheins auf Sonnenschutzmittel verzichten. Stimmt das?

Markus C. Schulte von Drach

Der vergangene Sonntag war für viele Ausflügler und Fußballfans ein Sonnentag im Sinne des Wortes - und eine schöne und böse Überraschung zugleich. Nach dem schlechten Wetter haben viele Menschen nicht daran gedacht, sich auf den Aufenthalt im Freien angemessen vorzubereiten und ihre Haut vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Die Folge: rote Gesichter und Sonnenbrand.

Diese schmerzhafte Verbrennung der Haut, so liest und hört man häufig vor allem in der Tourismusbranche, kann man sich bei einem Aufenthalt am Toten Meer nicht zuziehen. Wer das Gewässer, das an Israel, das Westjordanland und Jordanien grenzt, besucht, kann angeblich auf Sonnenschutzmittel verzichten.

Die Erklärung ist einfach: Das Tote Meer liegt mehr als 400 Meter unterhalb des Meeresspiegels. Die ultraviolette Strahlung, genauer: die UV-B-Strahlung, die sonst in die Haut eindringt, die Zellen schädigt und absterben lässt, werde durch diese Extra-Schicht Atmosphäre gefiltert.

Darüber hinaus soll aufgrund der starken Verdunstung des Wassers eine Art Dunstglocke entstehen, die die Schutzwirkung der Luft verstärkt.

"Fakt ist, dass man viele Stunden in der prallen Sonne liegen kann und keinen Sonnenbrand bekommt", berichtet ein Tourist zum Beispiel auf der ciao.de-Seite zum Thema Reisen.

Und auf den Seiten von wellnessurlaub-jordanien.de behauptet einer der Autoren: "Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass ein Sonnenbad am Strand des Toten Meeres keine Risiken für die Haut birgt. Grund: Zum Seeufer hinunter gelangen ausschließlich die langwelligen, ungefährlichen UVA-Strahlen. Das trockene Wüstenklima bewirkt einen ständigen Dunstschleier über dem See, der die schädlichen, kurzwelligen UVB-Strahlen am Durchdringen hindert."

Selbst auf wikipedia.de erfährt man, dass am Toten Meer "eine verringerte UV-Einstrahlung (bedingt durch einen um fast 500 m längeren Strahlenweg)" gegeben ist.

"Unsinn!"

Die Fachleute beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bewerten die Behauptung, am Toten Meer würde man keinen Sonnenbrand bekommen, allerdings mit einem einzigen Wort: "Unsinn!".

Zwar, so erfährt man dort, gibt es tatsächlich Regionen, wo die Gefahr, sich die Haut zu verbrennen, geringer ist als anderswo. So hat schräg einfallendes Licht einen längeren Weg durch die Atmosphäre und wird dann stärker gestreut und absorbiert als senkrechte Strahlen. Deshalb ist das Sonnenbrandrisiko am Äquator auch besonders hoch.

Und natürlich hat auch die Dicke der Atmosphäre einen Einfluss. Wie Peter Köpke vom Meteorologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München erklärt, spielt die Menge der Luftmoleküle und der anderen Bestandteile der Atmosphäre, die vor der UV-Strahlung schützen, eine Rolle. Und mit zunehmendem Luftdruck nimmt deren Zahl zu.

Deshalb ist die UV-Strahlung bei gleicher Sonnenhöhe tatsächlich in den Bergen höher und am Toten Meer geringer. Zudem kommt hier der häufig in der Luft enthaltene Wüstenstaub ins Spiel, der UV-Strahlen absorbiert.

Der Effekt ist aber nicht so groß, dass man sagen könnte, am Toten Meer bekäme man keinen oder kaum einen Sonnenbrand.

Außerdem befinde sich der See im Mittelmeerraum, wo die Einstrahlungsintensität der Sonne viel höher ist als zum Beispiel in Deutschland. "Sie bekommen dort mit Sicherheit einen Sonnenbrand, wenn Sie sich entsprechend lang mit blanker Haut der Sonne aussetzen", sagt Thomas Jung vom Fachbereich Strahlenschutz und Gesundheit des BfS in Oberschleißheim/Neuherberg.

Das Tote Meer ist sicher einen Besuch wert - schon weil es der einzige See ist, in dem man schwimmen und zugleich Zeitung lesen kann. Aber auf Sonnenschutzmittel sollte man dort nicht verzichten.

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