Süddeutsche Zeitung

Fossiler Methusalem:Der erste Europäer?

Auf ein Alter von 1,2 Millionen Jahren haben Wissenschaftler einen menschlichen Kiefer aus Spanien datiert. Ob der Knochen einem Vorfahren des modernen Menschen gehörte, ist noch unklar.

Mathias Stamm

Der älteste Spanier ist 1,2 Millionen Jahre alt. Dementsprechend wenig ist von ihm übrig: gerade mal ein Kieferknochen und ein paar Zähne. Die fanden spanische Wissenschaftler nun in einer Höhle in der nordspanischen Sierra de Atapuerca, wie das Magazin Nature (Bd. 452, S. 465) berichtet.

Neben dem Kieferknochen und einigen Zähnen lagen zudem 32 Steinwerkzeuge sowie fossile Tier- und Planzenreste - was den Fachleuten die zeitliche Einordnung der Knochen erleichterte.

Denn die Forscher wissen, dass die kleinen Nagetiere, die neben dem Gebiss des spanischen Urmenschen versteinerten, vor mehr als einer Million Jahre lebten.

Der primitive Kiefer des Urmenschen ähnele 1,7 Millionen Jahre alten Kieferknochen aus Georgien, schreiben die spanischen Paläoanthropologen. Vermutlich haben die Urmenschen von Afrika aus erst den Nahen Osten und dann Europa und Asien besiedelt - die erste Völkerwanderung der Menschheitsgeschichte. Es folgte eine zweite vor 600.000 und eine dritte vor 50.000 Jahren.

Ein Vorfahre des modernen Menschen?

Damals wanderten die Vorfahren des modernen Menschen in Europa ein. Davon gehen die meisten Wissenschaftler aus, sagt Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. Seine Kollegen deuten nun an, dass der spanische Urmensch einer unserer Vorfahren sein könnte.

"Sehr unwahrscheinlich", entgegnet Hublin. "In der zweiten Auswanderungswelle wurden die Urmenschen, die bereits in Europa lebten, von den Neuankömmlingen verdrängt und ausgelöscht." Dieses Schicksal sei ihnen erneut passiert, als unsere Vorfahren nach Europa zogen.

Den Fund der Spanier findet Hublin aber spektakulär - wenn auch nicht sonderlich überraschend. Funde von bearbeiteten Steinen hätten darauf hingedeutet, dass die ersten Urmenschen vor mehr als einer Million Jahren in Europa lebten.

Aber einige Wissenschaftler bezweifelten, dass die bearbeiteten Fundstücke mehr als nur schön geformte Steine sind. "Und es gab einfach keine Knochenfunde aus dieser Zeit", sagt Hublin. Das spanische Gebiss beweise nun, dass es sich bei den Steinen tatsächlich um Werkzeuge handelt.

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Quelle:
SZ vom 27.3.2008/mcs
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