Fossil Ida:Eine entfernte Verwandte

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Forscher streichen Ida aus dem menschlichen Stammbaum. Entdecker Jörn Hurum, der das Fossil unter großem Aufsehen präsentiert hatte, reagiert diplomatisch.

Patrick Illinger

Manchmal muss ein Backenzahn über den Verwandtschaftsgrad zweier Lebewesen entscheiden. Im aktuellen Fall geht es um den Unterkiefer eines rund 37 Millionen Jahre alten Primaten namens Afradapis und die Frage, ob das Fehlen markanter Backenzähne ihn als Vorfahr des modernen Menschen qualifiziert.

Nur eine Cousine dritten Grades? Fossil Ida aus Messel. (Foto: Foto: dpa)

Auf den ersten Blick ja, meinen Wissenschaftler, die Afradapis in der aktuellen Ausgabe von Nature erstmals vorstellen (Bd.461, S. 1118, 2009). Dessen Gebiss zeige typische Merkmale höherer Primaten.

Doch bei genauer Begutachtung erweise sich der modern wirkende Kiefer als Beispiel für konvergente Evolution. Dieser Begriff beschreibt das Entstehen von Eigenschaften, die mehrere Lebewesen gemein haben, obwohl sie genetisch nicht verwandt sind.

Ein klassisches Beispiel für konvergente Evolution ist der Schnabel des Kolibris. Er ist ähnlich geformt wie der Rüssel mancher Falter, ohne dass diese Tierarten näher verwandt wären. Ein langer Schnabel oder Rüssel ist besser geeignet, um Nektar aus Blüten zu saugen. So entsteht im Tierreich manchmal äußerliche Ähnlichkeit, ohne dass ein gemeinsamer Vorfahr den Körperbau vererbt hätte.

Mehr Lemur als Homo sapiens

Die im Fachjournal Nature vorgestellte Studie zu Afradapis zeige nach Ansicht der Autoren um Erik Seiffert von der Stony Brook Universität im US-Bundesstaat New York, dass es auch unter den frühen Primaten konvergente Evolution gab.

Diese Erkenntnis rückt auch Darwinius massiliae in ein neues Licht, jenes vor einigen Wochen mit großem Medienecho als "Bindeglied" der Primaten vorgeführte, "Ida" getaufte Fossil aus der hessischen Grube Messel. Die Studie zu Afradapis legt nahe, dass auch Ida unabhängig von den menschlichen Vorfahren entstanden sein könnte.

Das ist zwar kein krasser Widerspruch zu den Behauptungen, die Forscher rund um Ida gemacht hatten. Auch sie hatten erklärt, diese sei eher eine Großtante der Menschheit als eine Großmutter.

Doch zeigt die Analyse von Afradapis, dass sowohl Darwinius als auch Afradapis zu den sogenannten Adapoiden gehören, die heute keine lebenden Nachfahren mehr haben. Ida sei im Stammbaum so weit von den direkten Vorfahren des Menschen entfernt, wie es ein Primat nur sein könne, erklärt Erik Seiffert forsch.

Seine Analysen rückten Ida deutlich näher an die heute in Madagaskar lebenden Lemuren heran als an die Menschenaffen oder gar Homo sapiens. Der Ida-Entdecker Jörn Hurum erklärte unterdessen diplomatisch, er freue sich, dass eine fachliche Diskussion über seinen Fund in Gang gekommen sei.

© SZ vom 22.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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