Fortpflanzung:Emsig wie die Bienen

Hummel sammelt Nahrung

Oft ist sie noch unterwegs, wenn sich die Honigbiene in ihren Stock zurückzieht: Hummeln sind oft verkannte, aber wertvolle Helfer bei der Bestäubung von Pflanzen

(Foto: dpa)

Honigbienen sind nicht die einzigen Überträger von Pflanzenpollen. Auch Hummeln, Motten und Schwebfliegen übernehmen einen großen Teil der Bestäubung - immer deutlicher zeigt sich der Wert dieser lange verkannten Insekten.

Von Monika Offenberger

Sex ist für Pflanzen ungleich komplizierter als für Mensch und Tier. Die Gewächse können sich schließlich nicht einfach auf den Weg machen und einen Partner suchen. Dass die männlichen Pollen dennoch zu ihrem weiblichen Pendant auf einer passenden Blüte gelangen, dafür sorgen günstige Winde - und mobile Boten. Mehr als 90 Prozent aller Blütenpflanzen verlassen sich in Sachen Bestäubung ganz oder teilweise auf die Hilfe von Tieren, oft Insekten, und entlohnen diese mit Nektar für ihre Dienste. Dass dieses Tauschgeschäft auch den Ertrag von Feldfrüchten steigern kann, war bereits den Bauern im alten Orient vor mindestens 3500 Jahren bekannt. So alt nämlich ist ein Relief aus der Ruinenstadt Nimrud im heutigen Irak. Es zeigt zwei geflügelte Wesen, die eine männliche Blüte über eine weibliche Dattelpalme halten.

Auch die moderne Landwirtschaft profitiert von der in Jahrmillionen ausgereiften Partnerschaft zwischen Blüten und tierischen Bestäubern. Hierbei betätigen sich keineswegs nur die weithin bekannten Honigbienen. Neben Vögeln und Fledermäusen sind auch eine Reihe weiterer Insekten beteiligt. Hummeln und andere Wildbienen, Schwebfliegen, Käfer und Motten zum Beispiel leisten ebenfalls einen beachtlichen Beitrag zur globalen Nahrungsmittelerzeugung. Lange standen diese weniger bekannten Bestäuber im Schatten der Honigbiene. Doch seit einiger Zeit interessieren sich Biologen vermehrt dafür, was der Mensch den wild lebenden Bestäubern verdankt. So erkunden Wissenschaftler auch Ameisen an afrikanischen Mangobäumen, Schwebfliegen auf portugiesischen Erdbeerfeldern oder gar Kolibris in kalifornischen Mandelplantagen.

Welch große Bedeutung bestäubende Insekten für uns Menschen haben, zeigt eine Bestandsaufnahme in 200 Ländern auf vier Kontinenten, erstellt von einem internationalen Forscherteam um Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Universität Freiburg. Drei Viertel der 115 wichtigsten Pflanzenarten, deren Produkte Menschen essen oder als Viehfutter verwenden, setzen demnach mehr, größere oder überhaupt erst Früchte und Samen an, wenn bei der Bestäubung der Blüten Tiere assistieren. In Europa gilt dies sogar für 85 Prozent aller Kulturpflanzen. In Tonnen gemessen, bilden Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zwar nur ein Drittel aller weltweit konsumierten Nahrungs- und Futtermittel. Allerdings enthalten gerade diese Feldfrüchte deutlich mehr Vitamine als die mengenmäßig dominanten Grundnahrungsmittel wie Reis, Mais und andere Getreide, die ohne tierische Helfer auskommen. Entsprechend hoch ist der ökonomische Wert der Bestäubung von Kulturpflanzen. Im Jahr 2005 wurde er mit 153 Milliarden Euro beziffert.

Daran beteiligt sind, neben den Honigbienen, zum Beispiel Hummeln und andere Wildbienen sowie Schwebfliegen. Das belegt eine Auswertung von mehr als 30 Einzelstudien an 20 verschiedenen Kulturpflanzen in 19 Ländern. Je mehr wilde Insekten die Blüten von Kulturpflanzen besuchten, umso mehr Früchte bildeten diese. Zwar konnten auch Honigbienen durch mehr Blütenbesuche den Fruchtertrag steigern - allerdings nicht bei jeder Pflanzenart und nicht in jeder Region.

Wildbienen sind demnach oft effektivere Bestäuber als ihre domestizierten Verwandten. Alexandra-Maria Klein, die an der Metastudie beteiligt war, sagt: "Viele Obstpflanzen brauchen zur Befruchtung ihrer Blüten Pollen vom Baum einer anderen Sorte. Wildbienen fliegen häufiger als Honigbienen zwischen den Sorten hin und her und übertragen dadurch passenden Pollen. Das erhöht den Anteil befruchteter Blüten." Hinzu komme, dass verschiedene Bestäuber unterschiedliche ökologische Nischen nutzen. "Honigbienen bevorzugen in Mandelbäumen die höher und außen liegenden Blüten; Wildbienen und Fliegen bestäuben auch die unten und innen liegenden. Zudem fliegen viele Hummeln und andere Wildbienen bei kühlerem Wetter, Wind oder Nieselregen aus, wenn Honigbienen lieber im Stock bleiben." Eine Sandbienenart sammelt sogar noch bei Windgeschwindigkeiten von mehr als 36 Kilometer pro Stunde.

Einige Wildbienen haben sich auf wenige Blüten spezialisiert und bestäuben diese besser als Honigbienen. So steigerte sich in den USA der Luzernenertrag pro Hektar auf heute mehr als das Sechsfache gegenüber den 1960er-Jahren, seit man dort die europäische Luzerne-Blattschneiderbiene eingeführt hat. Kommerzielle Zuchtbetriebe stellen deren Brut zu jeder Jahreszeit im großindustriellen Maßstab bereit und machen damit ein Multimillionen-Dollar-Geschäft. Auch Hummeln werden im großen Stil zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt, etwa in holländischen Gewächshäusern mit Tomaten. Honigbienen können diese Pflanzen aus anatomischen Gründen nicht bestäuben. Was daher früher in mühsamer Handarbeit erledigt werden musste, übernehmen nun Hummeln.

Nachfrage nach alternativen Bestäubern steigt

Auch in Deutschland steigt die Nachfrage nach alternativen Bestäubern. Mehrere kommerzielle Anbieter haben sich auf die Zucht von Gehörnten und Roten Mauerbienen spezialisiert und beliefern damit Obstbauern rund um den Bodensee und in ganz Westeuropa.

Alexandra-Maria Klein verfolgt diese Entwicklung mit Skepsis. "Gezüchtete Mauerbienen, die man in Kästen und Nisthilfen in die Apfelplantagen stellt und gegen Parasiten und Vogelfraß schützen muss, sind keine wilden Bienen mehr. Solcherart Management ist ebenso artifiziell wie die Haltung von Honigbienen." Zwar sei es ein Fortschritt, auf mehr als nur eine Insektenart zu setzen, räumt die Biologin ein. Das langfristige Ziel müsse jedoch sein, die Biodiversität der wilden Bestäuber zu erhalten und zu fördern. Die Intensivierung der Landwirtschaft läuft diesem Ziel jedoch entgegen. So sind beispielsweise in den Agrarregionen im US-Bundesstaat Illinois in den vergangenen 100 Jahren die Hälfte aller heimischen Wildbienenarten verschwunden, wie Biologen kürzlich nachgewiesen haben.

Auch in Deutschland gilt fast jede zweite der insgesamt 561 Wildbienenarten als gefährdet, etliche sind bereits ausgestorben. "Jede von ihnen hat andere Bedürfnisse", sagt Klaus Schönitzer von der Zoologischen Staatssammlung München. "Viele brauchen Sand- oder Lehmboden für ihre Nester, manche leben in hohlen Halmen, andere in leeren Schneckenhäusern." Und während Honigbienen wahllos alle Blüten aufsuchten, seien Wildbienenarten oft auf ein paar Pflanzengruppen spezialisiert. "Etwa 100 Wildbienenarten fliegen auf Raps", sagt der Berliner Bienenspezialist Christoph Saure und fordert: "Man müsste die Bauern dazu bringen, wieder vermehrt Randstreifen und Böschungen anzulegen, wo sich die Tiere selbst ansiedeln können. Das käme nicht nur der Natur, sondern auch der Landwirtschaft zugute."

Dass Artenreichtum auch inmitten von Agrarlandschaften die Nahrungsmittelproduktion messbar steigern kann, geht nicht nur auf das Konto der Wildbienen. Neuerdings gerät ein bislang wenig beachtetes Insekt ins Visier der Forschung: die Schwebfliege. Weltweit sind derzeit rund 6000 Arten beschrieben, rund 460 davon leben in Deutschland. Weil sich alle Schwebfliegen von Blütennektar ernähren, gelten sie als wichtigste Bestäubergruppe nach den Wildbienen. Die Lebenszyklen beider Tierarten sind freilich sehr unterschiedlich. Während Bienen Nester bauen und ihre Brut mit Pollen füttern, kümmern sich Schwebfliegen nach der Eiablage nicht weiter um den Nachwuchs. Die Larven nutzen je nach Art sehr unterschiedliche Lebensräume. Manche fressen frische oder faulende Pflanzenteile, andere verrottendes Holz oder Pilze, einige leben in Ameisennestern oder Jauchegruben. Die Larven vieler Arten ernähren sich ausschließlich von Blattläusen - und gelten schon allein deshalb als Nützlinge für die Landwirtschaft.

Da sich die Larven selbst versorgen, müssen die Fliegen ihre Blütenbesuche nicht wie Bienen danach ausrichten, wie weit der Rückweg zum Nest ist. In großflächigen Agrarlandschaften kommen manche Schwebfliegen daher besser zurecht als Wildbienen, vermutet Frank Jauker von der Universität Gießen. Er hat das Vorkommen beider Gruppen in einer der ertragreichsten Ackerregionen in Mittelhessen untersucht. "Bei den Bienen fiel schon in zwei Kilometer Entfernung vom nächsten Naturschutzgebiet die Zahl der Arten und der Individuen deutlich ab. Dagegen blieb bei den Schwebfliegen die Artenzahl auch inmitten der Agrarlandschaft unverändert hoch. Wir fanden dort sogar mehr Individuen." Die Präsenz der Fliegen kann sich auch positiv auf die Ernte auswirken, hat Jauker bei Experimenten mit Sommerraps ermittelt. Obwohl Raps von Wind bestäubt wird, setzten die Blüten mehr Samen an und brachten einen höheren Ertrag, wenn sie zusätzlich von Hainschwebfliegen besucht worden waren.

"Dass unsere wild lebenden Insekten, allen voran Wildbienen und Schwebfliegen, auch den landwirtschaftlichen Ertrag fördern, ist eine relativ neue und überraschende Erkenntnis", sagt Frank Dziock, Professor für Tierökologie und Angewandten Umweltschutz an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden. "Dieses Potenzial sollten wir nutzen, indem wir die Extensivierung unserer Agrarlandschaft vorantreiben und wieder Lebensraum für möglichst viele Bestäuber schaffen."

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