Forschung - München:Nominierungen für Deutschen Zukunftspreis

München (dpa) - Mit gutem Gewissen schlafen - auf einer Matratze, für deren Herstellung das Klimagas Kohlendioxid verwendet wurde. Die Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoff ist eine von drei Innovationen, die für den Deutschen Zukunftspreis nominiert sind. Gut zweieinhalb Monate vor der Vergabe haben die drei nominierten Forscherteams in München ihre Projekte vorgestellt. Neben der CO2-Nutzung geht es um eine datenbasiert optimierte Gestaltung von Abläufen in Unternehmen sowie um eine bessere Diagnostik bei schweren Erkrankungen über extrem hochaufgelöste Kernspin-Bilder.

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München (dpa) - Mit gutem Gewissen schlafen - auf einer Matratze, für deren Herstellung das Klimagas Kohlendioxid verwendet wurde. Die Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoff ist eine von drei Innovationen, die für den Deutschen Zukunftspreis nominiert sind. Gut zweieinhalb Monate vor der Vergabe haben die drei nominierten Forscherteams in München ihre Projekte vorgestellt. Neben der CO2-Nutzung geht es um eine datenbasiert optimierte Gestaltung von Abläufen in Unternehmen sowie um eine bessere Diagnostik bei schweren Erkrankungen über extrem hochaufgelöste Kernspin-Bilder.

Mit dem Recycling von Kohlendioxid, das in Massen ausgestoßen zum Klimawandel beiträgt, haben sich Wissenschaftler der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion und des aus dem Bayer-Konzern ausgegründeten Werkstoffherstellers Covestro befasst. "Früher haben wir CO2 als unschönen Abfallstoff abgetan, jetzt sehen wir es zunehmend als Ressource, ein wenig inspiriert von der Natur", sagt der Teamsprecher und Chemiker Christoph Gürtler.

Schon jetzt könnten in einer Anlage in Dormagen theoretisch die Materialien für jährlich 500 000 "grüne" Matratzen hergestellt werden. Es gehe auch um synthetische Fasern: Socken, T-Shirts und Sportwäsche könnten künftig unter Verwendung CO2 hergestellt werden. Und langfristig könnten auch Kühlschränke oder sogar Gebäude mit dem Material gedämmt werden. Auf diese Weise könnten Hunderttausende Tonnen CO2 verwertet werden. Der Beitrag sei zwar gemessen an den weltweiten CO2-Emissionen gering, aber bezogen auf die chemische Industrie substanziell, sagte Gürtler.

Bisher scheiterte die Nutzung von CO2 als Rohstoff am Energieaufwand. Den Forschern ist es gelungen, einen erdölbasierten Grundstoff mittels eines Katalysators bis zu 20 Prozent durch Kohlendioxid zu ersetzen. Gürtler sprach von einem Quantensprung.

Um einen Meilenstein geht es auch bei einem neuen Magnetresonanztomographen, den Forscher des Universitätsklinikums Erlangen, der Siemens Healthineers AG und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg entwickelt haben. Sie konstruierten ein für die klinische Nutzung geeignetes Gerät, das mit einer Feldstärke von 7 Tesla extrem präzise Bilder liefert.

Damit lassen sich etwa im Gehirn Strukturen erkennen, die sonst beispielsweise erst bei einer Öffnung des Schädels zu sehen sind. "Damit kann die Diagnose zuverlässiger und früher gestellt werden, sagte Teamsprecherin Christina Triantafyllou. Feine krankhafte Veränderungen bei Demenz, Epilepsie und Multipler Sklerose seien so frühzeitig feststellbar. Das ermögliche einen raschen Therapiebeginn, sagte Teammitglied Arnd Dörfler. Das Hochleistungs-MRT erleichtere auch die Nachsorge von Krebspatienten. Bisher dauert es oft lange, bis über MRT ein Erfolg oder Misserfolg einer Tumortherapie sichtbar wird.

Bisherige Geräte im Klinikalltag kommen auf 1,5 oder maximal auf 3 Tesla. Die 7 Tesla-Geräte waren lange Zeit extrem schwer und kamen nur für die Grundlagenforschung zum Einsatz. Mit einer veränderten Anordnung der Magnete bekamen die Erlanger das System leistungsfähiger und leichter - und damit besser in Klinikstrukturen integrierbar. Das Gerät wiege nun 17 anstatt 40 Tonnen.

Bereits vor zwei Jahren war eine Entwicklung von Siemens Healthineers für den Zukunftspreis nominiert. Damals ging es um eine neuartige Darstellung von MRT- und Computertomographie-Bildern.

Erstmals ist eine softwarebasierte Innovation für den Zukunftspreis nominiert. Ein Team aus München widmet sich dem Process Mining, einer Methode des Prozessmanagements, die Abläufe auf Basis digitaler Spuren überprüft und über Algorithmen ineffiziente Prozesse entlarvt. Das zeigt Einsparpotenziale, bringt mehr Kundenzufriedenheit - und erhöht den Profit.

"Traditionell hat man sich hierfür Unternehmensberater ins Haus geholt, die Interviews mit den Mitarbeitern geführt und sich etwa ein Bild davon gemacht haben, wie lange ein Prozess dauert. Wir können das heute mit intelligenten Algorithmen lösen", sagte der Mathematiker und Teamsprecher Alexander Rinke, der mit zwei Mitstudenten das Unternehmen Celonis mit inzwischen rund 650 Kunden weltweit gründete. Anwender hätten berichtet, wie sie binnen zwei Tagen erfolgreich Verbesserungspotenzial identifizieren konnten, sagte Rinke. Sensible Daten, etwa von Mitarbeitern oder - in Kliniken - von Patienten würden nicht genutzt. "Wir nehmen das Thema Datenschutz sehr ernst."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht den Preis am 27. November in Berlin. Welches der drei Teams die Auszeichnung bekommt, bleibt bis zuletzt geheim. Der Deutsche Zukunftspreis ist mit 250 000 Euro dotiert und gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftspreisen in Deutschland. Schon die Nominierung gilt als hohe Auszeichnung. Voraussetzung ist nicht nur die Innovation, das Produkt muss auch bereits zur Marktfähigkeit entwickelt sein.

Im vergangenen Jahr war ein Forscherteam geehrt worden, das ein Medikament gegen ein gefährliches Virus entwickelt hatte. Es hält das Virus auch dann in Schach, wenn das Immunsystem geschwächt ist, etwa bei Menschen mit einem Spenderorgan. Die Substanz, so hieß es damals, erschließe neue Perspektiven in der Transplantationsmedizin. Im Jahr davor ging die Auszeichnung an ein Münchner Team, das einen feinfühligen Roboter entwickelt hatte, der zum Assistenten des Menschen werden soll: in der Industrie, aber zum Beispiel auch in der Pflege.

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