Forschungspolitik:Gehen Sie über Los

Forschungspolitik: Lässt man den Zufall entscheiden, welche Forschungsprojekte gefördert werden sollen, hilft das gegen Vorurteile.

Lässt man den Zufall entscheiden, welche Forschungsprojekte gefördert werden sollen, hilft das gegen Vorurteile.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Wenn die Entscheidungsfindung bei der Förderung von Forschungsprojekten allzu schwerfällt, gibt es einen Ausweg: Man lässt den Zufall entscheiden.

Kommentar von Christian Weber

Die Probleme bei der Forschungsförderung liegen, wie in vielen Bereichen des Lebens, im Mittelfeld. Es gibt Projekte, die sind so brillant und innovativ, die vorschlagenden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen so brillant, dass ihnen Gutachter ohne viel Nachdenken die Millionen zuweisen. Andere Ideen sind absehbare Rohrkrepierer, dürftig und schlecht begründet. Hier können Prüfer ebenso leicht die Finanzierung verweigern.

Das Problem sind jene Forschungsvorhaben, deren Qualität im Mittelfeld liegt. Projekte, die zwar nicht zwingend, aber durchaus vielversprechend sind, vorgeschlagen von qualifizierten Teams. Aber: Die Ressourcen sind nun mal begrenzt. Wie entscheidet man dann?

Üblicherweise gibt es dann ein langes Hin und Her in der Peer Review, und es ist unwahrscheinlich, dass dabei immer die beste Entscheidung herauskommt. Vielleicht gibt es die ja auch gar nicht, es fehlt an einer Maßeinheit für den Wert eines Forschungsprojekts. Studien haben zudem gezeigt, dass verschiedene Gutachtergruppen häufig zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Belegt ist auch, dass es in den Gremien Vorbehalte gegen besonders innovative und riskante Ideen gibt, ebenso gegen stark interdisziplinäre Projekte. Womöglich werden Frauen immer noch benachteiligt, so genau weiß man das nicht. Klar ist nur eines: Die Förderungsentscheidungen sind ohnehin reichlich zufällig. Eindeutige Gerechtigkeit lässt sich nicht herstellen.

Insofern war es nur konsequent und angenehm pragmatisch, dass unter anderem der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaften (SNF) seit einigen Jahren eine Lotterie zur Entscheidungsfindung bei Anträgen von guter, aber nicht unbedingt exzellenter Qualität eingeführt hat. Zu diesem Schluss kam vor Kurzem auch eine Analyse. Das Forscherteam um Rachel Heyard berichtet im Fachjournal Statistics and Public Policy, dass die Lotterie tatsächlich zumindest das Problem mit den Vorurteilen gelöst hat.

Nun muss man hoffen, dass diese mit viel Statistik gespickte Evaluation selber von exzellenter Qualität ist. Plausibel ist sie allemal. Und sie ist ein Denkanstoß: Vielleicht wäre der organisierte Zufall auch in anderen Feldern ein hilfreiches Instrument im Mittelfeld - etwa bei der Vergabe von Stipendien und akademischen Posten. Oder auch im ganz normalen Leben. Schließlich weiß man auch bei Bewerbern und Bewerberinnen um Job, politisches Amt oder Lebenspartnerschaft häufig nicht so genau, wer die richtige Wahl ist. Würfeln mag nicht immer die passende Methode sein - aber man sollte sich bewusst machen, dass gründliches Abwägen nicht unbedingt immer zu besseren Ergebnissen führt.

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