Forensische Analyse:Weshalb Haare keine guten Beweismittel sind

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  • Haaranalysen haben offenbar zur Verurteilung Hunderter möglicherweise Unschuldiger in den USA beigetragen, weil das FBI ihre Ergebnisse irreführend darstellte.
  • Die Fehlerquote bei Haaranalysen ist beachtlich. Das deutsche Bundeskriminalamt hat seit Ende der neunziger Jahre keine solche Untersuchung mehr in Auftrag gegeben.
  • Heute nutzen die Ermittlungsbehörden in Deutschland wie in den USA die wesentlich verlässlicheren DNA-Analysen. Aber auch die sind nicht ohne Tücken.

Von Oliver Klasen und Matthias Huber

Es geht womöglich um Hunderte US-Kriminalfälle, die jetzt neu untersucht werden müssen: Experten der US-Bundespolizei FBI haben einem Bericht der Washington Post zufolge jahrzehntelang kriminaltechnische Analysen vor Gericht irreführend dargestellt. Haaranalysen haben demnach zur Verurteilung Hunderter möglicherweise unschuldiger Angeklagter beigetragen. Dabei sind die vermeintlichen Beweise keineswegs so unwiderlegbar, wie Gerichte und Geschworene aufgrund der Aussagen der FBI-Spezialisten offenbar annehmen mussten.

Die Vorwürfe betreffen sogenannte morphologische Untersuchungen aus einer Zeit, als DNA-Analysen noch nicht möglich waren. Bis in die frühen neunziger Jahre wurden Haarproben unter einem Mikroskop auf sichtbare Merkmale wie Farbe, Verteilung der Farbpigmente oder Schuppenstrukturen untersucht. Anhand eines Vergleichshaares wollte man so bestimmen, ob die gefundene Probe von einer bestimmten Person stammen könnte. "Aber man wusste damals schon, dass diese Methode nur begrenzte Aussagekraft hat", sagt Dr. Ingo Bastisch, Leiter des Fachbereichs Humanspuren des Bundeskriminalamts (BKA).

Die Fehlerquote bei diesem Vorgehen ist nämlich beachtlich. Einer Studie aus dem Jahr 1985 zufolge erweist sich selbst unter idealen Bedingungen eine von 20 Zuordnungen als falsch. Werden Haare naher Verwandter miteinander verglichen, steigt diese Fehlerquote weiter. Aber schon vor Erscheinen der Studie hatten diese Tests vor deutschen Gerichten nur sehr geringe Beweiskraft, galten höchstens als Hinweise und Indizien. Seit Ende der neunziger Jahre hat das BKA keine morphologische Untersuchung mehr in Auftrag gegeben.

DNA-Analysen sind verlässlicher, aber auch tückisch

Heute nutzen die Ermittlungsbehörden in Deutschland wie in den USA die wesentlich verlässlicheren DNA-Analysen zur Herkunftsbestimmung einer Probe. Aber auch die sind nicht ohne Tücken. Zwar wird in TV-Serien oft suggeriert, dass diese Methode die Kriminologie revolutioniert habe. Allerdings sind Haare, die an einem Tatort gefunden werden, längst nicht so aussagekräftig wie eine fachmännisch entnommene Haarprobe. Bei ausgefallenen Haaren - und um die handelt es sich meist, wenn die Spurensicherung am Tatort etwas findet - sind die Zellen mitunter stark beschädigt.

Eine DNA-Analyse brachte lange Zeit nur dann ein verwertbares Ergebnis, wenn intakte Zellen von der Haarwurzel vorhanden waren. Inzwischen hat sich die Technologie jedoch weiterentwickelt. So ist es seit etwa zehn Jahren auch möglich, Haarproben von schlechter Qualität kriminaltechnisch zu analysieren. Forscher der Universität Mainz haben zum Beispiel ein Verfahren entwickelt, mit dem sich bruchstückhafte DNA in einer Probe quasi vervielfältigen lässt. So lassen sich auch dann zuverlässige Aussagen ableiten, wenn nur sehr wenig Material, etwa ein einzelnes Haar, vorhanden ist.

Außerdem gibt es die Möglichkeit die sogenannte mitochondriale DNA zu untersuchen. Erbinformationen finden sich nämlich nicht nur im Zellkern, sondern auch in den Mitochondrien, jenem von einer Doppelmembran umschlossenen Zellteil, der oft vereinfachend als "Kraftwerk der Zelle" bezeichnet wird. Der Vorteil an der mitochondrialen DNA ist, dass sie in sehr viel größerer Zahl vorliegt als die Zellkern-DNA - nämlich etwa 1000 Mal pro Zelle, während die Chromosomen im Zellkern nur jeweils doppelt vorkommen.

Der Nachteil an der mitochondrialen DNA besteht darin, dass sie nur über die mütterliche Linie vererbt wird. Alle Kinder einer Frau haben also zum Beispiel die gleiche mitochondriale DNA. Eine Zuordnung zu einer bestimmten Person ist so nicht zweifelsfrei möglich.

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