Food-Hacker:Veggie-Burger sollen bald nach Fleisch schmecken

Vegetable burger

Veggie-Burger sehen zwar fast genauso aus wie echte Hamburger, nur schmecken sie noch anders. Künftig soll Fleischersatz nicht mehr vom Original zu unterscheiden sein.

(Foto: Getty Images)

Neuartige Imitate tierischer Lebensmittel schonen die Umwelt. Natürlich ist an ihnen aber überhaupt nichts mehr.

Von Kathrin Burger

Manch einer wird sich an die Anfangsjahre der vegetarischen Fleischersatzprodukte nur mit Grausen erinnern. In den 1970er und 1980er Jahren waren es nämlich "Texturiertes Soja-Fleisch" (TVP), Tofu-Buletten und Grünkernbratlinge, die den Vegetariern den Fleischverzicht leichter machen sollten. Auch heute noch gibt es in Bioläden und Reformhäusern Wurst-Imitate zu kaufen, die mit dem Original nur wenig gemein haben. Doch es tut sich etwas in den Garküchen der Industrie.

Vor allem im Silicon Valley entsteht derzeit eine kreative Melange aus Jungunternehmern, Informatikern, Do-it-Yourself-Biologen, Köchen, Physikern, Weltverbesserern, Sensorikern und Lebensmitteltechnologen - genannt: "Future-Food-Movement". Die Vertreter dieser Bewegung gründen immer mehr Start-ups, deren Entwicklungsabteilungen eher einem Labor gleichen, denn einer Küche.

Dabei wird nicht nur am perfekten Burger ohne Fleisch getüftelt, sondern auch an eifreier Mayonnaise sowie Milch und Käse aus Pflanzeneiweiß. Die kleinen Firmen ziehen Investoren wie Bill Gates oder den Google-Gründer Sergey Brin an und bringen Unruhe in die US-Lebensmittelbranche. Ihr gemeinsames Ziel: die Ressourcen zu schonen. Schließlich verbraucht die Produktion von tierischen Lebensmitteln Unmengen Wasser, Energie und Land. Zudem werden dabei mehr klimaschädliche Gase in die Atmosphäre geblasen als bei der Herstellung der Alternativprodukte.

Wenn es nach den "Food-Hackern" geht - so bezeichnen sich die jungen Unternehmer selbst - sollen die Produkte auch gesünder sein, da sie im Unterschied zu echtem Fleisch weniger Fett, kein Cholesterin und auch keine anderen möglicherweise schädlichen Substanzen wie etwa Antibiotika enthalten. Trotzdem soll ihr Eiweißgehalt an den von tierischen Produkten herankommen. Das ist wichtig, schließlich ist Protein in vegetarischen Diäten oft Mangelware. Das dritte Ziel: Geschmack und Mundgefühl müssen so gut sein, dass es keinen Unterschied zum Vorbild gibt.

Im Mund sollen sich die Produkte aus dem Labor genauso anfühlen wie ihre Vorbilder

Beim US-Start-up "Impossible Meat" will man beispielsweise nichts weniger als "das globale Ernährungssystem umwälzen". Gründer Pat Brown forschte und lehrte vormals als Biochemiker und Genetiker an der Universität Stanford. Ende 2016 will er einen Burger auf den Markt bringen, für den kein Rind mehr sterben muss. Dafür dröselte Brown die genauen Bestandteile von Fleisch auf - Aminosäuren, Fette, Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Aromen. Und genau diese Ingredienzien suchte er in Pflanzen. Fündig wurde er unter anderem in Weizen und Spinat.

Um das fleischartige Mundgefühl zu erzeugen, wird mittels der "High-Moisture-Extrusion" Eiweißpulver mit Wasser und Gewürzen erhitzt, damit die Proteine ihre Struktur verändern - schließlich sind Pflanzenproteine knäuelförmig, während Fleisch aus faserigen Fibrillen besteht. Anschließend wird die Masse durch ein Sieb gepresst. Auch viele andere moderne Fleisch-Nachahmer verwenden dieses Verfahren. TVP, Tofu und das Weizenfleisch "Seitan" wird hingegen mit "Low-Moisture-Extrusion" hergestellt. Dabei entstehen eher schwammartige Strukturen. Auf Molekül-Ebene liegt dann eine Blasenstruktur wie bei einem Erdnussflip oder einer Frühstückszerealie vor.

Damit das Ganze auch nach Fleisch schmeckt, würzt Brown seine Burger mit Häm. "Das Molekül, das Fleisch zu Fleisch macht", sagt der Biologe. Denn während Fleisch gart, entstehen nur unter der Leitung des Häm-Moleküls die schmackhaften, fleischartigen Aromen. Das Häm gewinnt Brown aus Leghämoglobin, das Stickstoff-bindende Bakterien an den Wurzeln von Hülsenfrüchten bilden. Da die Bakterien diese Substanz aber nicht in großen Mengen bilden, produziert Brown das Leghämoglobin mithilfe von genetisch umprogrammierten Hefezellen.

Bei der in der Nähe von Los Angeles gelegenen Firma "Beyond Meat" bastelt man indes an Fleischersatz, der ohne Gentechnik auskommt. Hühnerstreifen namens "Beyond Chicken Strips", die hauptsächlich aus Erbsenprotein und Amaranth bestehen, gibt es schon seit 2012 zu kaufen. Auch die Chicken Strips werden mit dem Extruder-Verfahren hergestellt, das allerdings so angepasst wurde, dass die faserige Struktur des Geflügelfleisches nahezu perfekt nachgeahmt wird. Vorausgegangen waren 15 Jahre Forschung an der University of Missouri unter der Leitung des Lebensmitteltechnologen Fu-hung Hsieh.

Aus dem Veggie-Burger "The Beast" fließt sogar Fleischsaft-Imitat

Das Nährwertprofil der Pflanzen-Streifen soll dem von Geflügelfleisch gleichen - zumindest in Fütterungsversuchen mit Mäusen bewährte sich die Proteinqualität. Und auch die Ökobilanz stimmt: Die Herstellung des Fake-Fleisches verbraucht unter anderem nur ein Fünfzehntel der Wassermenge wie die Produktion von echtem Fleisch.

Seit Kurzem gibt es von Beyond Meat einen Burger namens "The Beast", aus dem bei sanftem Druck sogar "Fleischsaft" aus Roter Bete fließt. Gewürzt wird mit Hefeextrakt, der den Umami-Geschmack von Fleisch nachahmt - ein Kunstgriff, der bei vielen Nachahmerprodukten zum Einsatz kommt. Außer Fu-hung Hsieh arbeiten noch weitere Wissenschaftler bei Beyond Meat: Tim Geistlinger, Chef-Entwickler des Start-ups, ist Biochemiker. Zudem wurden Forscher verpflichtet, die sich etwa mit der Faltung von Proteinen auskennen.

Die Extruder-Verfahren haben jedoch den Nachteil, dass sie eher kleinteilige Stücke hervorbringen. Bei einem Burger oder Hühnchenstreifen ist das kein Problem, doch ein Steak oder ein ganzes Hühnerbrustfilet ist damit nicht nachzuahmen. Niederländischen Forschern der Universitäten Wageningen und Delft ist es jedoch kürzlich gelungen, mit dem so genannten "Taylor-Couette-Verfahren" diesen Nachteil zu beheben. Das Team um Studienleiter Atze Jan Van der Goot erzeugte ein drei Zentimeter dickes Stück Pflanzenfleisch, das vor allem aus Soja und ein wenig Weizenprotein, Gluten, besteht. Die rote Färbung kommt von einer speziellen Reissorte. "Am Geschmack müssen wir aber noch arbeiten", sagt der Wissenschaftler.

Alternativen zur Kuhmilch gibt es zwar schon viele. Allerdings schmecken Mandel-, Reis- oder Soja-Milch oft bohnig, bitter oder getreidig. Zudem lässt die Nährstoffqualität meist zu wünschen übrig: kaum Eiweiß, kein Kalzium, außer es wird extra zugesetzt. Die Gründer der US-Firma "Muufri", Perumal Ghandi und Ryan Pandya, haben nun ein System entwickelt, bei dem die sechs wichtigsten Milchproteine von gentechnisch veränderten Hefezellen exakt nachgebaut werden. "Das ist vollkommen ungefährlich und nicht vergleichbar mit der gentechnischen Veränderung von Pflanzen, die in der Umwelt wachsen", meint der Biologe. Doch Milch besteht nicht nur aus Proteinen. Gandhi meint, dass 20 Komponenten nötig seien, um Milch in Geschmack, Struktur und Farbe zu imitieren. Zu den Eiweißen werden darum acht verschiedene Fette gemixt, die aus Pflanzen stammen, aber an die Milchfettstruktur angepasst werden und damit auch das gleiche Aroma liefern sollen. Auch Mineralien wie Kalzium und Magnesium sowie milchtypische Zucker gehören in die Rezeptur.

Zwanzig Komponenten sind nötig, um Geschmack, Struktur und Farbe von Milch nachzuahmen

Doch die Muufri-Gründer wollen auch neue Wege beschreiten. Da viele Menschen den Milchzucker Laktose nicht vertragen, experimentieren sie mit anderen Zuckern. Die kuhfreie Milch wird also auch laktosefrei sein. Zudem wollen die Wissenschaftler gesündere Fette als im Original einbauen - etwa mehr ungesättigte Fettsäuren. Der Genuss steht aber im Vordergrund: "Wir vermissen den Geschmack von Milch, Butter und Käse", sagt Ghandi, der selbst Veganer ist. Anfang 2017 soll die Muufri-Milch dann im Handel sein.

Im Zentrum der deutschen Forschung steht vor allem die Lupine, weil sie in unseren Breitengraden besser gedeiht als Soja. Die Ausgründung "Prolupin" des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung bietet unter der Marke "Made with Luve" einen milchähnlichen Lupinendrink und Lupineneis an. Das Milch-Imitat soll sowohl ernährungsphysiologisch als auch sensorisch weitgehend Kuhmilch entsprechen.

Auch am Ei-Ersatz wird eifrig gebastelt, wiederum in Kalifornien. Bei "Hampton Greek", wo Mayo ohne Ei produziert wird, arbeiten dafür Bioinformatiker mit Küchenchefs zusammen. Gründer Josh Tetrick hat Dan Zigmond angeworben, der früher bei Google-Maps leitender Datenexperte war. Der hat Computermodelle entwickelt, mit denen neuartige Eiweißstoffe schnell auf ihre Tauglichkeit getestet werden können. Für Mayonnaise ist es etwa wichtig, dass die Moleküle sowohl Wasser als auch Fett bilden können, damit im Produkt später nicht zwei Phasen entstehen. Derzeit versucht Tetrick, pflanzliches Rührei zu entwickeln. Auch der Chemiker Kent Kirshenbaum von der New York University experimentiert mit Imitaten von Ei-Produkten. Es ist ihm bereits gelungen, Baiser aus Seifenkraut herzustellen.

Klaus Damme, Wissenschaftler am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Geflügel- und Kleintierhaltung im bayerischen Kitzingen, hält dagegen nicht viel vom Ei-Ersatz: "Tofu hat nur 85 Prozent verwertbares Eiweiß, Eiprotein 100 Prozent." Und in Milch findet man immer mehr Stoffe wie bioaktive Peptide, die für Menschen gesund zu sein scheinen.

Anderen ist die starke Verarbeitung der Ersatzprodukte ein Dorn im Auge. So hat die Verbraucherzentrale Hamburg vergangenes Jahr Fleisch- und Milchanaloga mit den Worten "zu viel Fett, Salz, Aromen und Zusatzstoffe" abgekanzelt. In den USA ist sogar von "Frankenstein-Nahrung" die Rede.

Die Food-Hacker sind dennoch zuversichtlich. Ein starkes Argument für die Ersatzprodukte ist ihre Umweltfreundlichkeit. "Wenn das Imitat dann auch noch identisch schmeckt und billiger ist", so Muufri-Gründer Gandhi, "dann werden viele Menschen weltweit umsteigen."

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