Folgen des Klimawandels:Zu heiß zum Arbeiten

A woman reads as she sits outside a beach hut in Brighton, southern England

Ferienstimmung in Südengland: In südlicheren Ländern könnte es bald zu heiß zum Arbeiten werden.

(Foto: REUTERS)

Menschen funktionieren nur in einem bestimmten Temperaturbereich optimal. Deshalb wird sich der Klimawandel auch noch stärker als bislang gedacht wirtschaftlich auswirken.

Von Jan Guldner

So einen Winter wie dieses Jahr gab es selten in den Vereinigten Staaten. Von Louisiana bis Maine bibberten viele Amerikaner zu Jahresbeginn bei eisigen Temperaturen und Schneechaos. Auch der US-Wirtschaft setzte die Kälte zu: Allein im Januar seien der Volkswirtschaft mehr als fünf Milliarden Dollar Schaden entstanden, berechneten die Business-Wetter-Analysten von Planalytics.

Das Beispiel zeigt: Extreme Temperaturen können das Wirtschaftswachstum bremsen. Dabei sind nicht nur vereiste Äcker oder Waldbrände für die ökonomischen Einbußen verantwortlich. Wetterextreme führen außerdem dazu, dass Menschen weniger arbeiten. Das berichten die US-Ökonomen Geoffrey Heal von der Columbia University und Jisung Park von der Harvard University in einem aktuellen Arbeitspapier des National Bureau of Economic Research.

Offenbar kann der menschliche Körper nur in einem bestimmten Temperaturbereich seine volle Leistungsfähigkeit abrufen. Ein Forscherteam um den finnischen Arbeitsklima-Experten Olli Seppänen errechnete zum Beispiel, dass die optimale Temperatur am Arbeitsplatz bei etwa 22 Grad Celsius liegt. Fällt die Temperatur unter 21 Grad oder steigt sie über 24 Grad, machen Menschen einen schlechteren Job.

Ab einem Grad mehr bricht das Wirtschaftswachstum ein

Für Stefan Sammito, der am Institut für Arbeitsmedizin der Universität Magdeburg forscht, ist das keine Überraschung. "Extreme Kälte und Hitze fordern den Körper in besonderer Weise", sagt der Mediziner. "Das führt dazu, dass Ressourcen, die sonst in die Arbeit fließen würden, nicht mehr zur Verfügung stehen." Konkret heißt das: Wir schwitzen mehr, wenn es zu heiß ist und müssen deshalb mehr trinken und suchen eher schattige Plätze.

Ist es zu kalt, zittern wir stark und müssen dicke Kleidung tragen, was wiederum der Feinmotorik schadet. "Körperliche Leistungen sind bei Extremtemperaturen nicht mehr so andauernd möglich", sagt Sammito. Arbeiter müssen also öfter Pausen machen und können nicht acht Stunden am Tag arbeiten. Auch die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt ab. "Denkprozesse laufen langsamer ab, wenn der Körper zu sehr mit den extremen Temperaturen beschäftigt ist", so der Arbeitsmediziner.

Die Ökonomen Heal und Park konnten nun zeigen, wie groß dieser Effekt ist. Sie verglichen für den Zeitraum von 1950 bis 2006 Klima- und Wirtschaftsdaten aus insgesamt 134 Ländern. Liegt in warmen Ländern die Temperatur ein Grad über der sonst üblichen Durchschnittstemperatur, bricht das Wirtschaftswachstum ein. Die Länder entfernen sich schließlich weiter von dem in anderen Studien identifizierten Optimum.

In Thailand oder Indien, so die Forscher, sinke die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung für jedes zusätzliche Grad Celsius um bis zu 3,9 Prozent. In kalten Ländern ist es andersherum: Hier wächst die Wirtschaft in ungewöhnlich warmen Jahren kräftiger. In Kanada oder Schweden beispielsweise bringt jedes Grad Celsius mehr einen Zuwachs von bis zu 4,1 Prozent in der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung.

Aufholprozess tropischer Länder könnte sich verlangsamen

Die Ergebnisse der Ökonomen sind aus zwei Gründen brisant. Erstens zeigen sie, dass warme Länder deutlich mehr unter dem Klimawandel leiden könnten als bisher gedacht. Die physiologischen Einflüsse steigender Temperaturen auf die Arbeitsproduktivität würden in den aktuellen Simulationen kaum berücksichtigt, schreiben Heal und Park.

In tropischen Ländern könnte es also nicht nur häufiger zu Dürren und Wirbelstürmen kommen, sondern einfach auch zu heiß zum Arbeiten werden. Der wirtschaftliche Aufholprozess der Entwicklungs- und Schwellenländer könnte sich so verlangsamen.

Außerdem bringen die Ökonomen neues Leben in eine alte Debatte: Ist das Klima schuld daran, dass zum Beispiel Afrika arm und Europa reich ist? Vor allem die Ökonomen Daron Acemoğlu und James Robinson argumentierten, dass funktionierende Institutionen über das Schicksal von Nationen entscheiden - geregelte Märkte, gesicherte Eigentumsrechte, Gewaltenteilung im Staat. Klimatische oder geografische Unterschiede wurden seitdem kaum noch berücksichtigt. Heal und Park zeigen nun, dass das Klima eventuell doch eine Rolle gespielt hat.

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