Flugtechnik:Roboter-Biene im unfreien Flug

Der Roboter "RoboBee" ist die bislang kleinste mit beweglichen Flügeln ausgestattete flugfähige Maschine der Welt. Frei fliegen kann das Gerät allerdings noch nicht. Wissenschaft und Militär können kaum erwarten, dass auch dieser letzte Schritt gelingt.

Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler daran, immer kleineren Robotern das Fliegen beizubringen. Bislang ist es schon gelungen, Geräte in die Luft zu bringen, die Möwen und Kolibris nachempfunden waren. Auch handtellergroße Quadrocopter - Hubschrauber mit vier Rotoren - haben ihre Premiere schon gehabt.

Sogar eine künstliche Libelle - allerdings mit einer Länge von 44 Zentimetern und einer Flügelspannweite von mehr als einem halben Meter - gibt es schon. Und mit DelFly hat die niederländische Universität von Delft ein ferngesteuertes, flatterndes, zehn Zentimeter langes Fluggerät - einen Ornithopter - vorgestellt, das mit einer Kamera bestückt ist und sich durch Gebäude steuern lässt.

Doch Fluggeräte im Format einer dicken Fliege oder Biene, die sich sogar ähnlich fortbewegen wie diese Insekten, existieren bislang nicht.

Mit der zwei Zentimeter großen "RoboBee" haben Wissenschaftler der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, jetzt immerhin ein Roboterinsekt vorgestellt, das einer Fliege oder Biene schon stark ähnelt.

Was bei den kleinen Tieren so einfach aussieht - Abheben, Schweben, sich elegant in die Kurve legen -, stellt die Ingenieure vor riesige Probleme. Trotz aller technischen Fortschritte ist das Zubehör, das dazu notwendig ist, noch immer zu groß und zu schwer, um es in einer so winzigen Maschine unterzubringen.

Auch Robert Wood, Kevin Ma und ihre Kollegen an der Harvard University müssen ihre "RoboBee" noch über einen Draht mit Energie versorgen. Darüber hinaus hat das Gerät selbst keine Sensoren, mit denen es den Flug kontrollieren könnte. Auf diese Weise konnten die Forscher das Gewicht ihres Fliegers auf 80 Milligramm (0,08 Gramm) beschränken.

Vielmehr beobachten acht äußere Kameras den kleinen Roboter von allen Seiten und übermitteln einem Computer die Bewegungen der künstlichen Biene. Der Rechner kontrolliert wiederum den Einsatz der "Flugmuskeln". Diese bestehen aus piezoelektrischem Material, das beim Anlegen elektrischer Spannung seine Form verändert. Nach etwa 15 Minuten Flugzeug ist die "RoboBee" aufgrund von Materialermüdung am Ende, weshalb ihre Einsätze derzeit noch auf 20 Sekunden beschränkt werden.

Trotzdem stellt die Roboterbiene einen solch großen Fortschritt da, dass die Wissenschaftler sie im renommierten Fachblatt Science vorstellen durften. Das Besondere an dem Gerät ist die Flugmechanik. Mit Hilfe zweier winziger Flügel, die mit 120 Schlägen pro Sekunde fast so schnell arbeiten wie die von echten Insekten, hebt die "RoboBee" ab. Die Flugbahn verändert das Gerät, in dem die kleinen Schwingen rotieren. Und die Manöver funktionieren, obwohl die Flügel im Gegensatz zu Insektenflügeln nicht biegsam sind, sondern steif.

Die Forscher hoffen, dass ihr Roboterinsekt hilft, die Mechanik schlagender Flügel besser zu verstehen - insbesondere die der winzigen Insektenflügel. Denn schon aufgrund der Eigenschaften der Luft müssen diese eine andere Aerodynamik aufweisen, als die großen Schwingen der Vögel oder die steifen Tragflächen von Flugzeugen.

Um einen so kleinen Flugroboter zu bauen, der über eigene Energieversorgung, Sensoren und Prozessoren verfügt, werden mit Sicherheit noch Jahre vergehen, sagte die US-Wissenschaftlerin Sarah Bergbreiter von der University of Maryland in College Park dem Wissenschaftsmagazin ScienceNow. Trotzdem sei die "RoboBee" "ziemlich fantastisch und cool".

"Alles an Bord zu haben, ist der Heilige Gral"

Vijay Kumar von der University of Pennsylvania in Philadelphia, der selbst winzige Quadcopter entwickelt hat, hält die Methode, mit der Wood und sein Team ihren Mikroroboter entwickelt haben, für eindrucksvoll. "Das ist das kleinste Fluggerät mit beweglichen Flügeln, das jemals gebaut wurde und voll funktionsfähig ist", sagte Kumar ScienceNow. "Das ist eine große Leistung." Es gebe hier Anwendungsmöglichkeiten, die weit über die bislang konstruierten Strukturen hinausgehen, und sogar zu medizinischen Geräten führen könnten.

Harvard-Wissenschaftler Kevin Ma ist optimistischer als Sarah Bergbreiter, was die weitere Entwicklung des Roboterinsekts angeht: In zwei Jahren, so hofft er, könnte die "RoboBee" ohne externe Stromversorgung auskommen und mit eigenen Sensoren ausgestattet sein. Das allerdings wäre dann wirklich ein Durchbruch: "Alles an Bord zu haben, ist der Heilige Gral", sagte Kumar.

Wie Ma der britischen BCC sagte, geht es den Wissenschaftlern nicht nur um Grundlagenforschung. "Wir können uns vorstellen, dass solche Roboter bei Such- und Rettungseinsätzen genutzt werden, um Überlebende in eingestürzten Gebäuden oder in einer anderen gefährlichen Umgebung zu suchen." Auch könnten sie zur Überwachung der Umwelt, etwa zum Aufspüren von Chemikalien, verwendet werden.

Interesse an der Forschung hat allerdings auch das Militär. Der Vorgänger der "RoboBee", eine drei Zentimeter große Roboterfliege, deren Flug 2007 noch durch eine Haltevorrichtung kontrolliert wurde, war mit finanzieller Unterstützung der Darpa entstanden, der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums. Für die RoboBee konnten Wood und sein Team unter anderem auf Fördermittel des Office of Naval Research der US-Navy zurückgreifen.

Die Militärs hoffen, winzige Flugroboter in Zukunft auch zur heimlichen Aufklärung einsetzen zu können. "Eine Fliege im Raum bemerkt niemand, einen Roboterfalken hingegen ganz sicher", hatte Wood 2007 erklärt.

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