Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Mithilfe eines kleinen Insekts wollen australische Wissenschaftler gleich mehrere große globale Probleme angehen. In der Fachzeitschrift Communications Biology schlägt ein Team um Kate Tepper von der Macquarie University in Sydney nun vor, Soldatenfliegen genetisch zu verändern. Sie sollen nicht nur große Mengen Müll fressen und beseitigen, sondern daraus auch noch wertvolle Produkte machen, die industriell genutzt werden können.
Praktisch nebenbei könnten die Fliegen nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch noch das Klima schützen. „Derzeit landen 40 bis 70 Prozent der organischen Abfälle auf Mülldeponien“, schreiben die Forschenden. Dort würden sie von Mikroben abgebaut, wobei das Treibhausgas Methan entsteht, das „28 Mal potenter ist als Kohlendioxid“. Würde all dieser Müll nicht von Mikroben, sondern von Soldatenfliegen verwertet, würde zwar Kohlendioxid freigesetzt, unter dem Strich würden aber Treibhausgas-Emissionen eingespart.
Den größten Vorteil der Soldatenfliegen sehen die Forschenden aber darin, dass die Insekten der Durchbruch sein könnten, um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu etablieren. „Eines der größten Hindernisse bei der Realisierung einer Kreislaufwirtschaft ist der Mangel hochwertiger Produkte, die aus Müll hergestellt werden können“, schreiben sie in Communications Biology.
Soldatenfliegen können innerhalb kürzester Zeit große Mengen Müll vertilgen und in hochwertige Proteine umwandeln. Die Larven der Insekten verschlingen pro Tag das Doppelte ihres Körpergewichts. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten sind die Larven interessant, weil ihre Futterbilanz ähnlich gut ist wie die von Hühnern: Aus etwa zwei Kilogramm Futter machen sie ein Kilogramm Biomasse. Zudem sind sie vergleichsweise einfach zu handhaben. Die Maden kriechen selbst aus dem Futter heraus, wenn sie ausgewachsen sind, sodass sie leicht zu ernten sind. Und der Müll muss nicht aufwendig aufbereitet werden, bevor man ihn an die Insektenlarven verfüttert. Anders als Mikroben, von denen manche ebenfalls als Müllfresser eingesetzt werden können, müssen Soldatenfliegen nicht steril gehalten werden, sondern fressen den Müll so, wie er ist. Es reicht aus, die Abfälle etwas zu zerkleinern.
Bedenken, die veränderten Tiere könnten entwischen, hält das Team für unbegründet
Schon jetzt werden Soldatenfliegenlarven kommerziell zu Tierfutter verarbeitet. Für Fische in Aquakulturen zum Beispiel, aber auch für Hunde. Aus einer Mischung aus Larven und erwachsenen Fliegen stellen manche Firmen zudem Dünger her. Das australische Wissenschaftler-Team ist aber überzeugt, dass mithilfe von Gentechnik noch viel mehr aus den Insekten herauszuholen ist. Sie wollen das Erbgut von Soldatenfliegen so verändern, dass sie aus dem Müll eine breite Palette hochwertiger Produkte erzeugen: Bio-Treibstoff zum Beispiel, Schmierstoffe und viele weitere Stoffe, die in der Textil-, Lebensmittel- oder Pharmaindustrie benötigt werden.
Bedenken, dass die genetisch veränderten Insekten entkommen und sich dann in der Umwelt explosionsartig vermehren oder anderen Schaden anrichten könnten, halten die Studienautorinnen und -autoren für unbegründet. Es sei möglich, dieses Risiko mithilfe gentechnischer Verfahren gering zu halten, schreiben sie. „Zum Beispiel, indem man Stämme entwickelt, die sich mit wild lebenden Soldatenfliegen nicht paaren können, und indem man Gene zerstört, die für das Überleben in freier Wildbahn essenziell sind.“ Unter anderem könnte man die Insekten so manipulieren, dass sie nicht fliegen können oder blind sind.
Doch nicht nur die Larven der Soldatenfliege können nützlich sein, sondern auch die etwa anderthalb Zentimeter großen erwachsenen Insekten. Einem Team um Karen Wooley von der Texas A&M University ist es zum Beispiel gelungen, aus dem chitinhaltigen Exoskelett der Insekten ein Gel herzustellen, dass innerhalb kürzester Zeit große Wassermengen speichert. Nach Ansicht der Forschenden könnte das Gel bei Starkregen eingesetzt werden, um große Wassermengen aufzunehmen und zu speichern und dadurch die Hochwassergefahr zu verringern. In Trockenzeiten könnte das Gel dann auf Felder ausgebracht werden und das gespeicherte Wasser dort wieder abgeben.
Mit der nur etwa anderthalb Zentimeter kleinen Soldatenfliege sind also große Hoffnungen verbunden. Eines der wenigen Dinge, die das Alleskönner-Insekt nicht kann, ist, als Nahrungsmittel für Menschen zu dienen. Was unter anderem dagegen spricht: Die Larven der Tiere riechen ziemlich unangenehm.