Fleischindustrie:Technik der massenhaften Tiervermehrung

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Handout image shows turkeys inside a hatchery at the processing unit of a turkey plant in La Calera city

Die Industrialisierung bestimmt nicht mehr nur die Haltung und das Schlachten der Tiere in Massentierhaltung, sondern auch deren Reproduktion.

(Foto: REUTERS)

Von den Abläufen bei der modernen Massentierhaltung haben die meisten schon gehört - etwa, wie das Leben einer Pute endet. Doch auch dessen Anfang, die Befruchtung, ist ein industrieller Prozess und hat mit Natur kaum mehr etwas zu tun.

Von Hilal Sezgin

Das Wort Massentierhaltung hat für viele Verbraucher einen schlechten Klang, weil es mit ungesunder und quälender Enge assoziiert wird. Landwirte sprechen daher lieber von "Intensivtierhaltung", die Fleischbranche nennt sich gar "Veredelungswirtschaft", weil hier pflanzliche Produkte in ökonomisch wertvollere, tierische umgewandelt würden. Doch gleichgültig, wie man es nennt: Bei 98 bis 99 Prozent der heutigen Tierhaltung handelt es sich um stark industrialisierte Vorgänge. Wie in anderen Wirtschaftszweigen regieren auch hier Effizienz und Kostendruck; menschliche Arbeitskraft wird durch zunehmende Technologisierung eingespart, und die "Produktion" - auch der Tiere - ist nach Fords Fließbandprinzip in immer kleinere Einzelschritte zerlegt.

Doch während die meisten Verbraucher Bilder vom Leben und Siechen der Nutztiere in den Ställen vor ihrem inneren Auge abrufen können, bleibt der Ursprung der Tiere oft im Dunkeln. Wir gehen schlicht davon aus, dass die jährlich 60 Millionen in Deutschland geschlachteten Säugetiere dem Uterus ihrer Mütter entstammen und die 700 Millionen Hühner und Puten aus dem Ei geschlüpft sind. So viel gibt nun einmal die Biologie vor, und daran kann sich ja wohl nichts ändern - oder?

Embryonen werden in Kühlboxen um die halbe Welt geflogen

Tatsächlich hat es der Mensch noch nicht geschafft, Uterus und Ei zu ersetzen - doch sie dienen bei der Zucht der Nutztieren gleichsam nur noch als Wachstumsumgebung für den Embryo. Die Natur hat nicht mehr viel mitzureden. Rinder und Schweine werden heute fast ausschließlich künstlich entsamt und besamt, im Bereich Rinderzüchtung werden Embryonen in Kühlboxen buchstäblich um die halbe Welt geflogen: Embryonen bestimmter Milchkuhrassen nach Ostasien, und die Embryonen besonderer Fleischrinder von Japan nach Deutschland. Die Embryonen "wertvoller" Rassen kann man dann "weniger wertvollen" Mutterkühen implantieren und von ihnen austragen lassen, so lange, bis die Körper der Mütter erschöpft sind. Dann kann man sie gerade noch schlachten lassen, während ihr "Nachwuchs" - den sie freilich nie sahen - zum Beispiel auf dem Luxusmarkt der Kobe-Steaks landet.

Im Bereich der Schweinezucht arbeitet man nur selten mit Embryonen, dafür standardmäßig mit zugekauftem Sperma. Überhaupt wurde in der Schweinezucht bereits ein Grad der Industrialisierung erreicht, den sich der Verbraucher wohl selten klar macht; so war die Überraschung - und auch das Entsetzen - groß, als der BUND Anfang des Jahres eine Studie veröffentlichte, aus der hervorging, dass zur Empfängnisstimulation oft Hormone eingesetzt werden. In vielen Großbetrieben wird die Ovulation mithilfe von Hormonen synchronisiert, um die Abläufe im Betrieb zu vereinfachen und das Wochenende von zusätzlichen Diensten frei zu halten.

"Die Sau wird in der Regel am Mittwoch von den Ferkeln abgesetzt", erklärt Martin Wähner, Professor für Grundlagen der Tierproduktion an der Hochschule Anhalt. "Fünf, sechs oder sieben Tage danach tritt die natürliche Brunst ein; mit einer biotechnischen Stimulierung kann man das steuern, damit die Brunst nicht so stark variiert, dazu kriegen sie Donnerstag früh ein Hormon appliziert. Das dient nur der Unterstützung des natürlichen Zyklus und ist keine Manipulation."

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