Fischerei:Die Leere der Meere

Karpfenernte in der Lewitz

Viele Fischbestände erholen sich langsamer als erwartet: Karpfenernte in der Lewitz.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Laut einem UN-Bericht wird mehr Fisch gegessen als je zuvor. Jeder dritte Bestand wird überfischt.

Von Marlene Weiß

Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch hat einen neuen Rekord erreicht: Mehr als 20 Kilogramm pro Erdenbürger wurden im Jahr 2014 aus Meeren, Flüssen und Seen geholt oder in Aquakultur produziert. Das zeigt ein in der vergangenen Woche erschienener Bericht der UN-Ernährungsorganisation FAO zum Zustand der Fischerei. Trotz einzelner Verbesserungen bleibt der Anteil der überfischten Bestände im Meer auf bedenklichem Niveau: Jeder dritte wird laut FAO zu stark ausgebeutet.

Rapide gewachsen ist vor allem die Aquakultur. Seit 2009 hat ihre Produktion laut Bericht um ein Drittel zugelegt, bei den Wildfängen waren es demnach nur knapp vier Prozent Wachstum. Damit nähert sich der Aquakultur-Konsum mit 74 Millionen Tonnen dem von Wildfischen an, der 2014 bei 93 Millionen Tonnen lag. Für mehr als 3,1 Milliarden Menschen liefert Fisch mindestens ein Fünftel der tierischen Proteine. Umso besorgniserregender sind daher die UN-Daten zur Überfischung: Etwa ein Drittel der Bestände wird so stark ausgebeutet, dass die Anzahl der Fische langfristig zurückgeht. Nur bei zehn Prozent der Bestände liegt die Fischerei noch unter dem dauerhaft verträglichen Niveau, die übrigen werden bereits mehr oder weniger maximal befischt.

Allerdings gehen die Einschätzungen dazu stark auseinander. So gibt die FAO den überfischten Anteil in Mittelmeer und Schwarzem Meer auf 59 Prozent an, während die unter ihrem Dach arbeitende Fischereikommission für das Mittelmeer (GFCM) auf 85 Prozent kommt. Die FAO führt das darauf zurück, dass die GFCM nur einen Teil der Bestände analysiert habe. Die EU-Kommission indes schätzt den überfischten Anteil sogar auf 91 Prozent.

Schwierigkeiten bereitet auch die schlechte Datenbasis: Die FAO vermutet, dass bis zu 26 Millionen Tonnen Fisch jährlich illegal oder undeklariert gefangen werden und daher nie in den Statistiken auftauchen. Forscher des renommierten Projekts "The Sea Around Us" um Daniel Pauly schätzten diesen Wert in einer Studie, die Anfang des Jahres in Nature Communications erschien, sogar auf 32 Millionen Tonnen, was 42 Prozent der offiziellen marinen Fänge entspricht. Den Meeresbiologen zufolge dürfte der nicht erfasste Anteil früher noch weit höher gewesen sein. Demnach wäre der tatsächliche globale Meeresfischerei-Ertrag bereits seit den Neunzigerjahren im deutlichen Niedergang, was unter anderem an jahrzehntelanger Überfischung liegen könnte.

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