Süddeutsche Zeitung

Filme von niedlichen Geschöpfen:Internet-Videos gefährden Tiere

Große Augen, weiches Fell, leichtes Übergewicht: Sonya ist ein kleiner Primat. Und sie ist berühmt. Ihr Youtube-Video erhielt mehr als neun Millionen Klicks. Doch der Hype um das süße Äffchen kann schlimme Folgen für seine Artgenossen haben.

Von Katrin Blawat

Sonyas Karriere begann 2009 mit einem Internet-Video. Fast 9,4 Millionen Mal wurde der kurze Film innerhalb von drei Jahren auf Portalen wie Youtube angeklickt und mehr als 12.400 Mal kommentiert. Dafür musste Sonya nicht einmal viel tun. Es genügte, dass sie sich unter den Armen kraulen ließ. Hörten die Liebkosungen auf, wirkte sie entrüstet - auch das brachte ihr viele Sympathien ein.

Doch dürfte Sonya der Erfolg ihres Videos weder interessiert noch genützt haben. Im Gegenteil: Vermutlich habe der Hype ihr und ihren Artgenossen sogar geschadet, warnen Wissenschaftler um die Primatenforscherin Anne-Isola Nekaris von der Oxford Brookes University im Fachmagazin Plos One (online). Sonya ist ein Plumplori: ein kleiner, stämmiger Primat mit großen Augen und flauschigem Fell. Wer so aussieht, muss sich um Sympathien im Netz keine Sorgen machen.

Doch diese Beliebtheit schade den Primaten, warnt Nekaris. Die Videos weckten in vielen Betrachtern den Wunsch, ebenfalls so ein Tier zu besitzen. Als Nekaris und ihr Team die mehr als 12.400 Kommentare zu Sonyas Video auswerteten, stießen sie immer wieder auf Sätze wie: "So süß! Ich will auch so einen haben!"

Übergewicht durch Gefangenschaft

Das aber verbietet die Cites-Artenschutzkonvention seit Jahren, denn Plumploris gelten als gefährdet. Seit Langem schon werden sie illegal wegen ihres Fleisches und vermeintlicher heilender Kräfte gejagt. Außerdem leiden die Tiere unter dem Rückgang des Regenwaldes, ihres natürlichen Lebensraums. Wächst nun noch die Nachfrage nach Plumploris als Haustiere, verschärft das die Situation der Primaten zusätzlich.

Um ein Jungtier zu fangen und zu verkaufen, töten die Schmuggler oft das Muttertier und mitunter die ganze Familie. Hinzu kommt, dass Plumploris Giftzähne haben, die ihnen oft brutal herausgebrochen werden. An den Infektionen, die sich daraufhin entwickeln, sterben viele der Tiere. Und selbst wenn ein Plumplori diese Misshandlung übersteht, hat er in seinem neuen Heim keine hohe Lebenserwartung. In Gefangenschaft sterben die Tiere häufig an Stress und falscher Ernährung. Auch Sonya sei übergewichtig, kritisiert Nekaris. Sie vermutet, dass Sonya aus Vietnam stammt und wohl illegal verkauft wurde.

Wie schlecht es um Plumploris steht, wüssten die meisten Menschen nicht. Viele kennen die Tiere nur durch die Internetvideos, die es längst nicht mehr nur von Sonya gibt. Plumplori-Besitzer filmen ihre Tiere zum Beispiel auch geschmückt mit kleinen Schirmchen. "Was ist das für ein Tier? Ich will auch so eins!" - so reagieren viele der Betrachter.

Nach "Findet Nemo" stieg die Nachfrage nach Clownfischen

Plumploris sind nicht die einzigen Tiere, die es durch einen Film bis ganz oben auf die Wunschliste vieler Menschen geschafft haben - und davon alles andere als profitieren. Der Film "Findet Nemo" hat die Nachfrage nach Clownfischen befeuert. "Lassie" und "101 Dalmatiner" machten Collies und Dalmatiner zu sehr beliebten Hunderassen. Verstärkt wurde mit ungeeigneten Tieren gezüchtet, was der Gesundheit beider Rassen nicht gut bekam.

Für die Plumploris gehe es sogar um ihren Fortbestand, warnt Nekaris. Das aber war zunächst nur in wenigen Kommentaren ein Thema. Erst nachdem die BBC einen Film über die Gefährdung der Plumploris gezeigt und Nekaris eine Website mit gleichem Tenor gestartet hatte, äußerten sich mehr Kommentatoren kritisch zu den putzigen Videos: "Wenn ein Plumplori aus seiner natürlichen Umgebung gerissen wird, endet das oft in einer Katastrophe."

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SZ vom 24.09.2013/ipfa
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