Film über Endlager-Suche:Atommüll im heiligen Berg

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Der Film "Die Reise zum sichersten Ort der Erde" zeigt die Suche eines Kernphysikers nach einem Endlager für Atommüll - etwa an Indianer-Stätten. Regisseur Edgar Hagen erklärt, warum das so wichtig wie aussichtslos ist.

Von Christoph Behrens

Wo auch immer Charles McCombie hingeht, warten besorgte Menschen. Sie tragen Schilder, sie brüllen in Megafone. Sie haben Angst vor dem, was McCombie zu ihnen bringen will, irgendwann einmal: Atommüll. Der britische Atomphysiker sucht weltweit nach passenden Orten für nukleare Endlager. Seit 35 Jahren berät der Experte Regierungen in dieser Frage. Für die Dokumentation "Die Reise zum sichersten Ort der Erde" hat der Schweizer Regisseur Edgar Hagen den Experten begleitet.

Die Bilder, die auf der Reise um die Welt entstanden, sind eindrucksvoll: Nächtliche Großeinsätze gegen Castor-Gegner in Deutschland. Indianer, die im amerikanischen Westen um einen heiligen Berg trauern, der zur radioaktiven Müllkippe werden soll. Castoren, die scheinbar ohne Ziel zwischen Ländern hin- und hergeschoben werden. Der Film macht schnell klar: Ob in der Wüste Gobi, im Outback Australiens oder tief unter den Alpen - einen perfekten Aufbewahrungsort für Atommüll zu finden, ist eine Illusion.

SZ.de: Sie haben den Atomphysiker Charles McCombie begleitet, der seit 35 Jahren ein Endlager für radioaktiven Abfall sucht, einen absolut sicheren Ort - ohne erfolg. Dennoch gibt McCombie nicht auf. Was macht ihn so optimistisch?

Edgar Hagen: Er geht davon aus, dass sich niemand mehr um den Atommüll kümmern würde, sobald die Atomenergie einmal gestoppt ist. Das ist für ihn die Motivation hinter der Endlagersuche. Aus der Sicht eines Atomenergie-Gegners heißt das: Man versucht nur eine Lösung zu finden, um die Atomenergie weiter betreiben zu können.

Andererseits steckt da natürlich ein Funken Wahrheit drin: Wer wird sich noch darum kümmern, wenn das keine Energiequelle mehr ist? Ist es für junge Menschen attraktiv, Nuklearingenieur zu werden mit der Perspektive, sich nur um die Entsorgung zu kümmern? Ich glaube, das kann attraktiv sein, aber es verlangt den Leuten schon einiges ab. Und das wird auf uns zukommen.

Atomphysiker Charles McCombie ist seit 35 Jahren in schwierigster Mission unterwegs: Er sucht weltweit Standorte für Atommüllendlager. (Foto: W-Film)

Wie beurteilt McCombie die Risiken der Kernenergie?

McCombie ist in der Zeit groß geworden, in der Reaktorforschung für die schnellen Brüter (zur Anreicherung von Plutonium, Anm. d. Red.) betrieben wurde. Die Nukleartechniker sind davon ausgegangen, dass man die nächsten Tausend Jahre damit bestreiten könnte, in einer Art Perpetuum Mobile. Es stellt sich langsam raus, dass es nicht so ist. Es funktioniert so nicht - diese Abfälle sind da und die Risiken enorm. Wenn etwas passiert, sind die Auswirkungen für die Gesellschaft riesig.

Trotzdem bleibt der Mann optimistisch.

Er glaubt, was er sagt. Wir waren in einer Art Spannung, sind von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgegangen.Unsere Vereinbarung bei der Reise war, wir machen einen fairen Kampf. Ich wusste, dass seine Suche nicht hinhauen kann. Ich glaube aber, dass wir ein Gespräch eröffnen müssen über diese Gräben hinweg. Diese Nuklearwelt ist so zubetoniert, um sich vor der Gegnerschaft zu schützen. In der Entsorgungsfrage ist das ein Riesenproblem. Als ich den Film gemacht habe, hatte ich den Eindruck, dass mit die besten Leute in der Entsorgungsfrage bei den Gegnern sitzen. Die setzen sich damit auseinander, weil sie überzeugt davon sind, dass man sich damit auseinandersetzen muss. Die machen das nicht als Job für vier oder sechs Jahre, die machen das lebenslang. Bei den Leuten in Gorleben hat sich zum Beispiel sehr viel Kompetenz aufgebaut - und diese Kompetenz sollte man nicht geringschätzen.

Atomindustrie und Politiker reden nicht mit den Gegnern?

In Deutschland gibt es die Endlager-Kommission, sie berät, wie man die Suche nach einem Endlager neu aufstellt. Die Umweltverbände haben lange gesagt, wir bleiben da draußen. Bei ihrem Widerstand geht es um Gorleben - denn diesen Standort hat die Politik nicht aufgegeben, man hält ihn auf dem jetzigen Stand. Man müsste versuchen, den Gegnern hier entgegenzukommen, ihre Kompetenz mit an Bord zu ziehen. Stattdessen glaubt man immer noch, dass man das durchkriegt.

Wenn einige Umweltverbände sich dann aber Gesprächen verweigern, ist das nicht auch eine vertane Chance?

Sie sind ausgestiegen, weil Gorleben eine erzwungene Geschichte ist. Das muss man verstehen. Da wurde der Bevölkerung etwas aufgedrängt. Man hat geglaubt, der Salzstock wäre eine sichere Umgebung, aber so ist es nicht. Im Film zeigen wir einen Salzstock in Mexiko, der ebenfalls als Endlager diskutiert wird. Da wird nebenan nach Öl gebohrt. Überall wo Salz ist, sind auch Rohstoffe. Das sind Gegenden, auf die man irgendwann später wieder zurückkommen wird. Ich verstehe die Gegner, wenn sie sagen, das ist nicht akzeptabel.

Sie haben unterschiedliche Protestkulturen im Film porträtiert - in Deutschland Menschen, die sich an Gleise ketten, in Japan Bürger mit Megaphonen, in Australien Proteste von Fahrradfahrern. Gab es Gemeinsamkeiten zwischen diesen Protesten?

Die Gemeinsamkeit ist die Kompetenz, die sich aufgebaut hat. Die Leute beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der Atomenergie. Das ist eigentlich ein Versuch, das Schweigen zu brechen, das uns von der Atomindustrie auferlegt wird. Es ist kein guter Weg, nicht über diese Gefahren zu sprechen. Es ist keine gute Idee, über Fukushima nicht mehr zu sprechen. Für Jahrzehnte wird das Folgen haben, was da passiert. Das ist für mich die Gemeinsamkeit der Gegnerschaft: dass da wirklich Leute sind, die sich damit beschäftigen.

McCombie in der britischen Aufbereitungsanlage Sellafield (Foto: W-Film)

Am interessantesten fand ich Nevada. Dor bezahlt der Staat teilweise die Gegner, weil sich der Staat Nevada gegen das Endlager gestellt hat. Der Staat hat Leute angestellt, um eine Opposition gegen das Yucca Mountain-Projekt aufzubauen. Dort hat McCombie mir übrigens die Gegner als Ansprechpartner vorgeschlagen, das war sehr aufrichtig von ihm.

In Yucca Mountain soll in den USA eines Tages ein Endlager entstehen. Von den amerikanischen Ureinwohnern wird der Berg als heilig beschrieben.

Dieses Land ist den Indianern genommen worden. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Sie wurden damals für den Atombombenbau und -test enteignet. Und jetzt baut man ein Endlager dort. Tom Isaacs von Stanford ist der Kopf hinter der Kommission, die sich mit der Yucca Mountain Frage beschäftigt. Ich habe ihn besucht, gefragt, wie ist das mit den Native Americans? Er hat gesagt, wenn wir dieses Problem auch noch behandeln, dann können wir gar nichts mehr machen. Übersetzt heißt das: Wenn wir die Rechte dieser Personen auch noch berücksichtigen würden, wären wir in den USA nicht mehr handlungsfähig.

Die Alternative ist, sie völlig zu übergehen.

Das ist mein Eindruck. Die Indianer haben kein Geld. Sie bluten dafür, um ihre eigenen Rechte zu verteidigen. Das heißt, jemand will auf meinem Land etwas bauen, und ich muss bezahlen. Ich bin Teil des Projekts, das jemand mir aufzwingt. Das ist in Gorleben auch so: Die Gegner finanzieren sich selber, das ist eigentlich nicht richtig. Die gegensätzliche Meinung ist Teil des Projekts, das sollte im Budget berücksichtigt werden.

Haben Sie auf der Reise Ideen oder Lösungen für Atommüll gesehen, die sie überzeugt haben?

Es ist schon eine gute Idee, den Atommüll wegzukriegen. Selbst wenn wir ein Endlager bewilligt bekommen, dauert es noch 40 Jahre bis es gebaut ist. Bis dahin müssen wir das Zeug irgendwie sichern. Wie überstehen wir die nächsten Jahrzehnte? Rechtlich sieht es so aus, dass die Länder den Atommüll nicht exportieren dürfen. Die Schweiz ist das einzige Land, das Atommüll exportieren darf unter bestimmten Auflagen. Im Grunde müssten also alle Länder mit Atomkraftwerken ein Endlager haben. Es müssen also sehr viele Endlager gebaut werden - und es ist noch nichts auf dem Weg. Das Zeug kann man ja nicht einfach so rumliegen lassen. Natürlich ist ein Zaun drum herum, aber nicht viel mehr. Da wird einem angst und bange.

Dennoch sind weltweit zahlreiche weitere Kernkraftwerke geplant...

In Großbritannien versucht man gerade, das nächste Atomkraftwerk in Hinkley Point durchzukriegen. Erst 2011 ist ein Endlagerprojekt eingestellt worden - und gleichzeitig will man ein neues Kraftwerk bauen. Obwohl man eigentlich einen gesellschaftlichen Konsens erreicht hatte, dass man das nur betreiben darf, wenn man eine Lösung für den Atommüll hat. Das ist unglaublich, oder? Dieses Dilemma wird vollständig verdrängt.

Regisseur Edgar Hagen (Foto: W-Film)

Hochradioaktiver Atommüll muss für etwa eine Million Jahre sicher gelagert werden, so ist zumindest die Vorgabe in den USA. Es wird also ein Problem künftiger Generationen werden. Wie nimmt die junge Generation das aus Ihrer Sicht wahr?

Das Problem ist, dass viele Jüngere den Bau der Atomkraftwerke selbst, diesen Aufbruch in ein neues Zeitalter nicht mehr miterlebt haben. Sie müssen sich jetzt um den Abfall kümmern, ohne dass sie diese heftige Debatte miterleben, ohne dass sie von der Energie selbst profitieren. Ich habe den Film vor Schülern in Solothurn in der Schweiz vorgeführt. Die waren völlig platt, dass es so etwas wie Atommüll gibt. Die waren sich dessen gar nicht bewusst, das ist völliges Neuland für sie. Das ist die große Verantwortung der Gesellschaft: Wie bringen wir das Thema den Jüngeren nahe, denn die müssen sich in irgendeiner Form drum kümmern.

Die Dokumentation "Die Reise zum sichersten Ort der Erde" ist seit 19. März in deutschen Kinos zu sehen.

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