Der deutsche Mathematiker Peter Scholze ist mit der Fields-Medaille ausgezeichnet worden, der weltweit höchsten Auszeichnung in der Mathematik.
Mit der Medaille würdigt die Internationale Mathematische Union (IMU) Scholzes Beiträge zur "arithmetischen Geometrie". Dieses Fachgebiet untersucht die Eigenschaften von Zahlen mit geometrischen Methoden. Mathematiker betrachten dabei Zahlen als Punkte in geometrischen Räumen. Auf diese Weise konnten bereits eine Reihe teils jahrhundertealter Probleme gelöst werden. Einige moderne Verschlüsselungsverfahren bauen auch darauf auf.
Scholze ist Professor am Hausdorff-Zentrum für Mathematik der Universität Bonn und galt bereits seit einigen Jahren als Favorit für die Fields-Medaille. Als 22-Jähriger erkannte er, dass ein wichtiger, 288 Seiten langer Beweis aus dem Gebiet der Zahlentheorie unnötig kompliziert war. Der junge Mann fand einen Weg, die "lokale Langlands-Vermutung" deutlich eleganter zu beweisen - und brauchte dafür nur 37 Seiten. Dieser Coup machte in der Fachwelt schnell die Runde. "Es war demütigend", erinnert sich ein Professor aus Boston.
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Scholzes Begabung, die bis dahin lediglich an seiner Universität aufgefallen war, fand nun weltweit Beachtung. Zwei Jahre später wurde er zum damals jüngsten Professor Deutschlands berufen. Im Alter von 27 Jahren erhielt er den Leibniz-Preis, die höchste deutsche Auszeichnung für Forscher. So ein Ausnahmetalent gebe es nur alle paar Jahrzehnte, hieß es in der Laudatio der Deutschen Forschungsgemeinschaft. An diesem Mittwoch wurde nun bekannt gegeben, dass Peter Scholze die Fields-Medaille erhält. Sie wird nur alle vier Jahre an maximal vier Rechenkünstler vergeben. Dass die Laureaten nicht älter als 40 Jahre sein dürfen, ist fast nie ein Problem. Mathematiker haben ihre größten Momente meist in jüngeren Jahren.
Sein Fach interessierte ihn bereits als Gymnasiast, wo er Mathematik auf Universitäts-Niveau betrieb. An seiner Schule, dem Berliner Heinrich-Hertz-Gymnasium, sei man kein Außenseiter gewesen, wenn man sich für Mathe interessierte, sagt Scholze. Mit 16 versuchte er den Beweis für Pierre de Fermats letztes Theorem zu verstehen. Der schließlich im Jahr 1994 geführte Beweis, die berühmteste mathematische Leistung des 20. Jahrhunderts, führte Scholze in sein heutiges Fachgebiet, die Verknüpfung von Zahlentheorie und Geometrie. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Entdeckung geometrischer Strukturen, die er "perfektoide Räume" nennt.
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Dass die Mathematik als objektive Realität existiere, fasziniere ihn besonders, sagt Scholze, man müsse sie nur durch Nachdenken entdecken. Als Student in Bonn schrieb er nie mit, erinnert sich ein Kommilitone. Scholze verstand sofort, was die Professoren in ihren Vorlesungen erzählten. Und nicht nur das: Er verinnerlichte es. Heute lösen sein Fähigkeiten in Fachkreisen Bewunderung, gar Ehrfurcht aus. Er gehe Fragen kaum je von unten an, sagen Kollegen, also von einem konkreten Problem ausgehend. Wie er selbst berichtet, begeistern Scholze zunächst allgemeine, fast philosophische Betrachtungen zu Zahlen und geometrischen Räumen. Diese Beschäftigung mit Grundsätzlichem führe dann zu konkreten Aussagen, Theoremen und Beweisen.
Menschlich bleibe er stets geerdet, berichten Kollegen. "Er gibt einem nie das Gefühl, dass er, nun ja, sehr weit über dir steht", sagt ein Kollege. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Scholze zusätzlich zu seiner Professur in Bonn als Direktor an das Max-Planck-Institut für Mathematik berufen wurde, ebenfalls in Bonn.
Neben dem 30-Jährigen Scholze ehrte die Internationale Mathematische Union in diesem Jahr Akshay Venkatesh von der Stanford University, Alessio Figalli von der ETH Zürich und Caucher Birkar von der Cambridge University.