Feuerameisen gegen "Crazy Ants":Krieg der verrückten Ameisen

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Die "Crazy Ants" heißen so, weil sie hektisch herumzucken und bizarre Tricks auf Lager haben. Die Ameisenart hat in den USA einen Krieg gegen die gefürchteten Feuerameisen angezettelt. Sie kann auf eine besondere Konterwaffe zählen.

Von Sebastian Herrmann

Pardon wird von der Roten Feuerameise nicht gegeben. Mit ihrem Gift macht sie jeden Gegner nieder. Vor etwa 80 Jahren gelangten die sechsbeinigen Invasoren mit Schiffen aus Südamerika in die USA und rotteten die zuvor dort heimischen Ameisen in vielen Regionen aus. Die Südstaaten haben sie überrannt. Farmer beklagen Ernteausfälle durch das Treiben der Insekten, die sich auf jährlich 750 Millionen Dollar summieren. Weitere Schäden belaufen sich laut Schätzungen auf 5,3 Milliarden Dollar pro Jahr.

Nun aber könnte es dem Insekt selbst an den Kragen gehen: Auf den Ameisenschlachtfeldern der US-Südstaaten taucht ein neuer Kombattant auf - die Rasberry Crazy Ant. Diese verrückten Insekten verfügen über eine chemische Geheimwaffe, wie Biologen um Edward LeBrun von der University of Texas berichten (Science, online): Sie produzieren ein Gegengift, mit dem sie das Toxin der Feuerameisen neutralisieren.

Geheime C-Waffe

Das Gefecht ereignete sich im Niemandsland zwischen den Revieren zweier verfeindeter Kolonien, schreiben die Wissenschaftler. Feuerameisen hatten dort eine tote Heuschrecke entdeckt. Die Beute wurde scharf bewacht - trotzdem wagten sich rivalisierende Crazy Ants heran, um den Feuerameisen die Nahrung abzujagen. Die verrückten Insekten führten eine Frontattacke. Für LeBrun wirkte das zunächst wie der Versuch einer kollektiven Selbsttötung.

Das Gift der Feuerameisen, so rechnen die Forscher vor, sei schließlich pro Gewichtseinheit zwei bis drei mal so toxisch wie das berüchtigte Pestizid DDT - also verdammt giftig. Von den Rasberry Crazy Ants wussten die Wissenschaftler hingegen, dass diese ihre verrückten Namen tragen, weil sie sich so seltsam hektisch und zuckend bewegen; und dass der Zusatz Rasberry wiederum von dem Kammerjäger Tom Rasberry stammt, der die Tiere in Texas entdeckte. Von der geheimen C-Waffe der Crazy Ants ahnten sie hingegen nichts.

Die "Crazy Ants" (rechts) beschmieren sich mit einem Sekret, um das Gift der Feuerameisen (links) zu neutralisieren (Foto: L. Gilbert, University of Texas)

Die Angreifer besprühten die Feuerameisen mit Gift und wurden ihrerseits mit dem Toxin der Verteidiger bespritzt. Doch statt zu verenden, zeigten sie ein merkwürdiges Verhalten: Sie krümmten sich zusammen, sodass ihr Gesicht das Ende des Hinterleibes berührte. Wie die Forscher später im Labor überprüften, sekretieren die verrückten Ameisen daraus eine Substanz, die sie dann mit ihren Mundwerkzeugen über den gesamten Leib verteilten. In Experimenten stellte LeBrun fest, dass es sich um eine Art Akut-Detox-Kur handelte. Die Substanz neutralisierte das Gift der Feuerameisen und sicherte eine fast hundertprozentige Überlebensrate. Verklebten die Biologen den Hinterleib der Tiere mit Nagellack, starben hingegen etwa die Hälfte aller Crazy Ants, die das Gift der Feuerameisen abbekamen. Die Crazy Ants stammen ursprünglich aus der gleichen Region zwischen Argentinien und Brasilien wie die Feuerameisen. Wahrscheinlich haben die Tiere über viele Jahrhunderte Rivalität und chemischer Wettrüstung ihre besonderen Abwehrkräfte entwickelt.

Sieg über die Unbesiegbaren

Für die Menschen in den USA sind das dennoch keine guten Nachrichten. Auch die Crazy Ants machen alles nieder, was sich ihnen entgegenstellt - Insekten, Spinnen, Tausendfüßer - und krempeln ganze Ökosystem um. In den Südstaaten der USA könnten sie langfristig die Feuerameisen verdrängen und sich zur dominanten Spezies aufschwingen, spekuliert LeBrun. Womöglich brauchen die Feuerameisen dann einen neuen lateinischen Namen: Bisher heißen die Tiere Solenopsis invicta, die unbesiegte Feuerameise. Es scheint, als hätten sie ihren Meister gefunden.

Im Übrigen haben Crazy Ants eine Vorliebe für Elektrogeräte und zerstören die Isolierung von Kabeln. Kammerjäger Rasberry hat angeblich schon im Auftrag der Nasa das Lyndon B. Johnson Space Center gesäubert. Dort hatten sich drei Kolonien zwischen einer Menge sensibler Technik eingenistet.

© SZ vom 14.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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