Feuer in Kanada:Dauerbrenner

Die Waldbrände in Kanada wüten noch immer. Kann das Feuer in der Provinz Alberta womöglich auch Ölsande entzünden? Experten bleiben gelassen. Experimente zeigen: Der Sand hat den falschen Duft für einen Großbrand.

Von Christopher Schrader

Das Biest ist weitergezogen und hat rauchende Trümmer hinterlassen. Die gewaltigen Brände, vom Feuerwehrchef des kanadischen Fort McMurray als "lebendiges Ungeheuer" bezeichnet, fressen sich inzwischen eher östlich der Stadt durch unbewohntes Gebiet. Allerdings könnte der Wind das Feuer auch noch nach Norden treiben: Dorthin, wo die ökonomische Basis des Ortes liegt, die Ölsand-Minen. Tiefe Gruben haben die Produktionsfirmen dort angelegt, aus denen Bagger klebrigen Matsch holen. In Industrieanlagen wird daraus flüssiges Öl gewonnen. Und so mancher Beobachter fragte sich bang: Was passiert, wenn der Funkenregen, der in den Fernsehbildern die Pick-ups der Bewohner von Fort McMurray umgab, über den Minen niedergeht? Brennen sie nicht noch besser als der Wald? Und viel länger?

In China glimmen Kohlefeuer seit Jahrzehnten, in Australien brannte wochenlang die Braunkohle

In der Tat gibt es viele Kohleadern, in denen Feuer überhaupt nicht mehr zu löschen sind. Eine liegt in der Nähe von Saarbrücken, sie hat sich den Aufzeichnungen nach bereits in den 1660er-Jahren entzündet und schwelt seither. In Pennsylvania ist 1962 eine unterirdische Mine in Brand geraten und hat die Aufgabe des Ortes Centralia erzwungen. Auch in Wuda in der inneren Mongolei, die zu China gehört, brennen unterirdische Kohlefeuer seit mindestens den 1960er-Jahren. Und in Jharia im Osten Indiens verzehrt Feuer die Kohleadern sogar schon seit 1916. Dort lodern offene Flammen in Erdspalten.

Das warnendste Beispiel könnte aber das Feuer in der Hazelwood-Mine im australischen Bundesstaat Victoria sein. Dort setzten Waldbrände im Februar 2014 einen Braunkohle-Tagebau in Brand. Die Rettungsmannschaften brauchten damals 45 Tage, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Sollten also die großen freigelegten Tagebaue nördlich von Fort McMurray Feuer fangen, stünde Kanada wohl vor einem noch weitaus größeren Problem als zurzeit - und auch der Rest der Welt, weil dann große Mengen CO₂ aufstiegen.

Allerdings sehen Experten die Gefahr als gering an, dass Ölsand-Vorkommen anfangen zu brennen. Keith Stewart von Greenpeace Canada zum Beispiel, der an der intensiven Kampagne seiner Organisation gegen die Ölsand-Ausbeutung in Alberta mitarbeitet, beantwortet eine SZ-Anfrage unbesorgt: "Die Firmen haben ihre eigene Feuerwehr, und das Bitumen im Sand ist vor der Aufbereitung nicht besonders entzündlich."

Vier Argumente sprechen aus Sicht von Fachleuten gegen die Feuergefahr. Das erste ist historisch: Wenn die Ölsande großflächig brennen könnten, hätten sie das schon längst getan. Waldbrände gehören zum natürlichen Zyklus des Lebens im Norden Kanadas. Allerdings erwartet die kanadische Regierung, dass sich die verbrannte Fläche wegen des Klimawandels im Lauf dieses Jahrhunderts verdoppeln wird. Die Öl-Industrie in Fort McMurray musste schon im Mai 2015 ihre Anlagen abschalten und Personal in Sicherheit bringen, weil Feuer in der Gegend brannten.

Das zweite Argument betrifft die Umgebung der Minen. Die Firmen haben alle Bäume in einem weiten Sicherheitsabstand um ihre Anlagen abgeholzt, sodass die Flammen diese eigentlich nicht erreichen können. Der von heftigen Winden angefachte und getragene Funkenregen müsste also große Entfernungen überwinden. Drittens hat Feuer Probleme damit, in Gruben hinab zu gelangen. Weil sich die erzeugte Hitze nach oben ausbreitet, klettern Brände eher einen Hang hinauf.

Der vierte Einwand betrifft die Zusammensetzung des Ölsandes. "Das ist heute nur noch selten eine sehr klebrige Masse mit intensivem teerigen Geruch", sagt Elisabeth Tewes von der Bergakademie Freiberg. Solch reichhaltige Funde seien bereits ausgebeutet, der Anteil am gesuchten Bitumen ist inzwischen eher unter zehn Prozent gefallen. "Der Sand ist dann nicht schwarz, sondern eher braun, erscheint lockerer, klebt nur ein bisschen und riecht kaum." Das Aroma sei aber ein Indikator für leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe, die sich schnell entzünden. Die Wissenschaftlerin hat es auch im Experiment erprobt. Als sie Ölsand erwärmte, kam es erst bei Temperaturen ab 200 Grad Celsius "zu einem Massenverlust gekoppelt mit einer oxidativen Zersetzung", sagt sie. Sprich: Ein Teil des Materials verbrannte.

Um eine ganze Fläche und nicht nur eine Laborprobe zu entzünden, so Tewes, bräuchte es sogar noch mehr Energie, also höhere Temperaturen als etwa 200 Grad. Dass ein ganzer Tagebau in Alberta durch Funkenregen in Flammen aufgehe, "das kann ich mir nicht vorstellen", sagt die Forscherin nach ihren Experimenten.

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