Fehlstart der Sojus-Rakete:Die Leere des Alls

Start von bemanntem russischem Raumschiff fehlgeschlagen

Kurz nach dem Start der Raumkapsel Sojus MS-10 vom Weltraumbahnhof Baikonur am Donnerstag versagte die Rakete. Die beiden Passagiere sind wohlauf.

(Foto: dpa)

Die Gefahren der Raumfahrt wurden lange unterschätzt. Nach dem jüngsten Fehlstart droht der ISS das Ende.

Kommentar von Christian Gschwendtner

Dass der Flug ins Weltall inzwischen das reinste Kinderspiel ist, war ein Eindruck, der sich zuletzt förmlich aufdrängte. Wer will schon argwöhnisch werden, wenn der sympathische Astronaut Alexander Gerst aus Künzelsau täglich nette Bilder von der Internationalen Raumstation (ISS) auf die Erde herunterschickt. Noch dazu, wenn man die fast tadellose Bilanz der russischen Sojus-Trägerrakete kennt: 850 Starts in mehr als 50 Jahren - so gut wie nie ist etwas passiert.

Das wird sich auch Russlands Weltraumorganisation Roskosmos am Donnerstag in Kasachstan gedacht haben. Zumindest war sie sich ihrer Sache sehr sicher. Nach dem Raketenstart dauerte es nur 287 Sekunden bis man auf Twitter lesen konnte: Alles in Ordnung, zweite Raketenstufe planmäßig abgetrennt. Nur war leider gar nichts in Ordnung. Die Zündung der zweiten Stufe klappte nicht. Den Fehlstart haben beide Astronauten nur mit viel Glück überlebt.

Für die Raumfahrtbehörden rächt sich nun das Sorglos-Marketing der letzten Jahre. Die Bilder, die demnächst von der ISS kommen, werden vieles sein, nur ganz bestimmt nicht vorteilhaft. Bemannte Flüge zur ISS sind vorerst gestrichen, auch Transportflüge soll es in nächster Zeit keine geben. Zumindest solange, bis die russische Raumfahrtbehörde die genaue Unfallursache geklärt hat. Die Entscheidung ist richtig. Die Astronauten auf der ISS sind mit genügend Proviant eingedeckt, sie werden es überleben.

Trotzdem kommt der Fehlstart zur Unzeit. Die umstrittenen wissenschaftlichen Versuche werden sich weiter verzögern. Kritiker, die die Sinnhaftigkeit der teuren Raumstation infrage stellen, werden noch mehr Oberwasser bekommen. Vermutlich gab es nie einen besseren Zeitpunkt, die Ära der ISS zu beenden.

Gut möglich, dass es dafür nicht einmal einen offiziellen Beschluss braucht. Momentan gibt es niemanden der die dreiköpfige Crew wie vorgesehen Anfang Dezember ablösen könnte. Aber auf ewig wird selbst Astro-Alex nicht auf der ISS bleiben können. Genau genommen ist seine Zeit im All schon durch das Haltbarkeitsdatum der Sojus-Kapsel vorherbestimmt, in der er vor fünf Monaten auf die Raumstation reiste. Im Januar wird die technische Garantie ablaufen. Dann müssen auch die Astronauten zurück. Alles andere wär ein unverantwortliches Risiko.

Das Problem ist: Eine Alternative zur Sojus-Rakete gibt es noch immer nicht, weil die USA ihr Shuttle-Programm 2011 eingestellt haben, im Vertrauen, dass die Firmen Boeing und SpaceX mit neuen Gefährten einspringen. Die sind aber noch längst nicht marktreif. So könnte es passieren, dass im kommenden Jahr zum ersten Mal seit sehr langer Zeit eine leere Raumstation um die Erde kreist. Ausgerechnet 50 Jahre nach der Mondlandung.

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