Süddeutsche Zeitung

FCKW:Problemfall im Schredder

Alte Kühlschränke sollen in Deutschland wiederverwertet, das Kühlmittel, der Ozonkiller FCKW, entsorgt werden. Doch es gibt große Defizite, kritisieren Umweltschützer.

Güven Purtul

Beim Recycling alter Kühlschränke gibt es in Deutschland große Defizite. Diesen Vorwurf erhob die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erstmals im November 2007. Nun untermauert sie ihn mit neuen Zahlen. Nach wie vor vernichteten die Entsorger nicht mal die Hälfte der Klima- und Ozonkiller FCKW aus jährlich drei Millionen Altkühlschränken. Die Gründe lägen in mangelnden politischen Vorgaben, fehlenden Kontrollen und falschen Anreizen.

Verantwortlich für die Wiederverwertung sind die Hersteller der Kühlgeräte, die Recyclingfirmen beauftragen. Diese sollen die Kältemittel aus dem Kühlkreislauf sowie die Isolierschäume entfernen und entsorgen.

"Doch die deutschen Entsorger liegen weit hinter dem geforderten Stand der Technik", sagt Maria Elander von der DUH. Sie hat die Zahlen der statistischen Landesämter ausgewertet, die Auskunft über die Zahl der Altkühlschränke geben sowie über die Menge an FCKW, die bei Entsorgern landet.

Am Sonntag stellte das DUH die Zahlen für 2006 vor. Demnach habe sich die Recycling-Quote gegenüber den Jahren 2004 und 2005 nicht verbessert - anders als vom Umweltbundesamt (UBA) behauptet. Nach wie vor gehöre Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa, sagt Elander.

Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft hält die Zahlen für "nicht aussagekräftig". Die deutsche Infrastruktur für die Aufbereitung und Verwertung von Kühlgeräten gehöre zur "Weltspitze". Der DUH werfen die Entsorger "methodische Fehler" vor, wie etwa Doppelzählungen von Geräten, die je zur Hälfte in einem anderen Bundesland recycelt werden.

Inzwischen hat Elander die Berechnung verfeinert, um Doppelzählungen auszuschließen. Das grundsätzliche Bild bleibt aber das gleiche. So betrug die durchschnittliche bundesweite FCKW-Rückgewinnungsquote in 2006 gerade mal 45 Prozent. Während sich das Vorzeigeland Baden-Württemberg in zwei Jahren von 66 auf immerhin 72 Prozent verbessern konnte, verschlechterte sich die Quote in Ländern wie Niedersachsen und Bayern der DUH zufolge sogar.

Vorbild Österreich

Das Elektrogerätegesetz schreibt ein Recycling nach dem Stand der Technik vor, Einzelheiten regelt die Verwaltungsvorschrift TA-Luft. Das Recycling von Kühlschränken ist ein zweistufiges Verfahren. In der ersten wird der Kühlkreislauf der Geräte mit einer Spezialzange angebohrt und das Öl-Gas-Gemisch mitsamt dem FCKW abgesaugt. 115 Gramm FCKW lassen sich aus dem Kältekreislauf eines Gerätes im Schnitt zurückgewinnen. Hier fordert die TA-Luft eine Rückgewinnung von 90 Prozent der FCKW.

Der größte Teil der Ozonkiller steckt jedoch in der Isolierung der Geräte. In Stufe 2 wandern die Gehäuse daher in Spezialmaschinen, die sie zerhacken, Kunststoffe und Metalle abtrennen und gleichzeitig die FCKW absaugen. Gut gewartete, luftdichte Anlagen können etwa 90 Prozent der FCKW aus den Isolierschäumen holen - im Schnitt 283 Gramm pro Gerät. "Dennoch verzichtet die TA-Luft gerade hier auf konkrete Vorgaben für die Rückgewinnung", kritisiert Christoph Becker, Geschäftsführer der RAL-Gütegemeinschaft Rückproduktion von FCKW-haltigen Kühlgeräten.

Christiane Schnepel vom UBA findet das logisch. "Die 283 Gramm sind nur eine theoretische Annahme. Bei den Isolierschäumen wissen wir aber nicht, wie viel FCKW enthalten sind." Für eine verbindliche Rückgewinnungsquote müsse bekannt sein, wie viel FCKW im Durchschnittsgerät steckt. Dem widerspricht Becker: "Die theoretischen Annahmen für die FCKW-Gehalte in bestimmten Geräteklassen sind in der Praxis immer wieder bestätigt worden, etwa in der Schweiz und in Österreich."

Anders als Deutschland schreibt Österreich eine Massenbilanz sowie eine Rückgewinnung von 90 Prozent der gesamten FCKW vor. "Wir können sagen, dass im Jahr 2006 rund 91 Prozent der erwarteten FCKW-Mengen auch tatsächlich rückgewonnen wurde", sagt Christian Keri vom Wiener Umweltministerium. Der Zusatzaufwand für eine detaillierte Massenbilanz ist gering. Während die Maschine das Kühlmittel absaugt, zählt ein Mitarbeiter die Geräte.

Per Knopfdruck erfasst er den Gerätetyp, der Auskunft über die zu erwartende Menge an FCKW gibt. En Vergleich der gewonnenen FCKW-Menge mit der Anzahl der recycelten Geräte ergibt die Rückgewinnungsquote. Deutsche Behörden tappen dagegen im Dunkeln. "Ich kann nicht sagen, wie hoch der Rückgewinnungsgrad ist. Ich sage einfach, dass wir eine andere Strategie haben", sagt Schnepel.

An der Technik liege es nicht, wenn deutsche Recycler schlechter abschneiden, sagt Erhard Hug, Experte der Schweizer Stiftung Entsorgung (SENS). Die Anlagen in Österreich, der Schweiz und Deutschland seien praktisch identisch. In Deutschland liefen die Dinge jedoch "völlig verkehrt". Das Hauptproblem bestehe darin, "dass derjenige bestraft wird, der auch die größte Menge FCKW zurückgewinnt". Das sei insbesondere angesichts des niedrigen Preisniveaus in Deutschland ein Problem.

Exportstopp nach Deutschland

Jedes Kilo FCKW, das ein deutscher Recycler aus den Kühlschränken zieht, muss dieser für viel Geld in Spezialanlagen vernichten lassen. Die Beseitigung eines Kilos FCKW kostet etwa drei Euro, für die Entsorgung eines Kühlschranks zahlen die Hersteller nur zwei Euro. Das ist nicht mal ein Drittel der Summe, welche vor Inkrafttreten des Elektrogesetzes im Jahre 2006 floss, als die Kommunen noch für das Recycling verantwortlich waren. Ein umweltgerechtes Recycling koste acht Euro pro Gerät, so die DUH.

Um die richtigen Anreize zu setzen, hätten die Schweizer Entsorger beschlossen, von 2008 an eine separate Vergütung der Entsorgungskosten für FCKW zu gewähren, so Hug. Davon ist in Deutschland keine Rede. Stattdessen steigt der Preisdruck der Hersteller auf die Entsorger weiter. So sei vernünftiges Recycling kaum möglich, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch: "Wenn dann die Kontrolle fehlt, läuft der Kühlschrank häufig über einen Autoshredder und das Recycling findet nur auf dem Papier statt."

Das kann sich Schnepel nicht vorstellen. Die UBA-Fachfrau weist auf vorgeschriebene Kontrollen hin. Die Anlagen sollen jährlich auf ihre Dichtigkeit überprüft werden. Doch die dafür verantwortlichen Bundesländer kontrollieren kaum, sagt Christoph Becker von der RAL-Gütegeinschaft. Auf eine Anfrage, wie oft sie die Anlagen bisher geprüft hätten, antworteten vier von zehn Ländern nicht; darunter auch Bayern, das den DUH-Zahlen nach schlecht abschneidet.

Genau wie Nordrhein-Westfalen, dessen Umweltministerium beschied: "Die Behörden und die Sachverständigen führen stichprobenhafte Überprüfungen durch." Sicher ist man sich in Düsseldorf nur in einem Punkt: "Eine Verschärfung der Vorgaben ist nicht erforderlich." Aus solchen laxen Vorgaben zog Österreich Konsequenzen und stoppte die früher üblichen Exporte ausgedienter Kühlschränke nach Deutschland.

"Grundsätzlich verlangen wir für Exporte den Nachweis, dass die selben Rahmenbedingungen eingehalten werden, die auch österreichische Anlagen einzuhalten haben", sagt Christian Keri.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.208709
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.05.2008/mcs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.