Familie:Mama bleibt die Beste

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Auch wenn Kinder erwachsen sind und eigene Wege gehen, stehen sie loyal zu ihren Eltern. (Foto: Matt Cardy/Getty Images)

Junge Erwachsene entscheiden sich im Zweifel für die eigenen Eltern und gegen ihre engen Freunde.

Von Werner Bartens

Blut ist dicker als Wasser. Diese Redensart soll zeigen, dass verwandtschaftliche Bindungen allemal stärker sind als Freundschaften. Offenbar ist das Gefühl ausgeprägter Nähe auch dann vorhanden, wenn Eltern den Eindruck haben, dass ihre Kinder längst eigene Wege gehen, sie kaum noch besuchen und sich nur noch aus Höflichkeit für sie interessieren. Vor die Wahl gestellt, ob sie eher engen Freunden oder ihren Eltern einen Vorteil zukommen lassen würden, entscheiden sich junge Erwachsene nämlich mehrheitlich für ihre Eltern. "Mama ist immer noch wichtig", lautet deshalb die Schlussfolgerung von Psychologen der University of California in Los Angeles.

Im Fachmagazin Psychological Science zeigen die Wissenschaftler um Jennifer Silvers, dass Eltern offenbar unterschätzen, wie loyal ihre Kinder zu ihnen stehen, auch wenn sie bereits erwachsen sind. Im Zweifel entscheiden sie sich für ihre Erzeuger. Im Rahmen der Studie nahmen 174 College-Studierende im Alter zwischen 18 und 30 Jahren an mehreren Spielen teil und beantworteten zudem einen detaillierten psychologischen Fragebogen. In einem der Spiele wurden kleinere Summen gewonnen oder verloren. Bei einem Teil der Probanden funktionierte das Spiel allerdings so, dass der Gewinn von fünf Dollar entweder den Eltern oder den engsten Freunden zugutekam. Wurde den Eltern der Gewinn zugesprochen, erlitten gleichzeitig die Freunde den entsprechenden Verlust - und umgekehrt.

"Wenn es hart auf hart kommt, werden eben doch die Eltern vorgezogen."

Obwohl die Teilnehmer in den Fragebögen mehrheitlich angegeben hatten, dass sie sich ihren Freunden deutlich näher fühlten als ihren Eltern und zu Gleichaltrigen mehr Vertrauen hatten, entschieden sie sich im Spiel anders. Dort wurden viel häufiger den Eltern die bescheidenen Gewinne zugeschlagen. "Wenn es hart auf hart kommt, werden eben doch die Eltern vorgezogen", sagt Silvers. "Obwohl nicht viel auf dem Spiel stand, waren diese Präferenzen ziemlich konsistent."

Die Wissenschaftler hatten vermutet, dass die Nähe zu den Eltern mit zunehmendem Alter abnimmt, weil die Kinder dann schon länger selbständig leben und zumeist weniger Kontakt haben. Dem war allerdings nicht so; in allen Altersgruppen zwischen 18 und 32 Jahren zeigte sich eine ähnliche Bevorzugung der Eltern gegenüber den Freunden. Auch zwischen jungen Frauen und jungen Männern gab es in dieser Hinsicht keine wesentlichen Unterschiede.

Nach dem Spiel berichteten viele Teilnehmer allerdings über gemischte Gefühle. Es behagte ihnen nicht, mit der Begünstigung der Eltern zugleich ihre Freunde benachteiligt zu haben. "Etliche Teilnehmer befanden sich im Konflikt", sagt João Guassi Moreira, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Sie sagten hinterher, dass sie es zwar hart fanden, ihre Freunde nicht so zu beachten - gleichzeitig jedoch das Gefühl überwog, ihren Eltern etwas schuldig zu sein, nachdem diese all die Jahre so viel für sie getan hatten."

Diese Ambivalenz findet sich vermutlich oft im Verhältnis zwischen Kindern und Eltern, unabhängig vom Alter - der Versuch der Distanzierung bei lebenslanger Nähe. Die Psychologen aus Los Angeles wollen im nächsten Forschungsprojekt untersuchen, ob sich ihre Befunde auch bei Jugendlichen in der Pubertät bestätigen lassen. Diese wohnen ja zumeist noch zu Hause und stecken bekanntermaßen mitten in dem Alter, in dem Eltern schwierig werden und oftmals nur noch peinlich sind. In dieser Lebensphase dürfte es Kinder besondere Überwindung kosten, trotz allem noch zu Vater und Mutter zu stehen.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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