Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Plan B für den Marsflug

Die Europäer wollten im Herbst gemeinsam mit den Russen eine Sonde zum roten Planeten schicken, daraus wird nichts mehr. Nun hofft die Esa, dass die Nasa einspringt. Fest steht: Der Start des Milliardenprojekts verzögert sich gewaltig.

Von Dieter Sürig

Anfang des Jahrtausends hatte die europäische Raumfahrtagentur Esa einen ehrgeizigen Plan: Sie wollte mit einer eigenen Marsmission nach Wasser und Leben auf dem Mars suchen und womöglich sogar Marsgestein zur Erde bringen. Doch die zweiteilige Exomars-Mission stand seit jeher unter keinem guten Stern. Die Esa hat die Planungen mehrmals verändert, zwischenzeitlich aus finanziellen Gründen auch die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit ins Boot genommen. Als die Amerikaner dann 2012 wieder ausstiegen, weil ihnen selbst das Budget fehlte, sprang die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos als Partner ein.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine steht das Projekt Exomars genau deswegen endgültig vor einem Scherbenhaufen. Die Esa hat die Kooperation mit Roskosmos aufgekündigt, nun muss eine andere Lösung her. Nach Esa-Angaben wird die zweite Exomars-Mission wohl erst 2028 starten - doch es gibt viele Fragezeichen. Und die Kosten werden steigen, schon jetzt sollen sie mehrere Milliarden Euro betragen.

Teil eins von Exomars war 2016 mit einer russischen Proton-Rakete gestartet: der Trace Gas Orbiter, um die Marsatmosphäre zu untersuchen, und das Landemodul Schiaparelli, das auf dem Mars landen sollte. Letzteres zerschellte dann allerdings wegen einer Fehlfunktion beim Landeversuch auf dem Planeten.

Der ursprünglich für 2018 geplante zweite Start, diesmal mit einem Marsrover, hatte sich mehrfach verzögert und sollte nun eigentlich im Herbst dieses Jahres stattfinden. Der Rover, benannt nach der britischen Biochemikerin und DNA-Forscherin Rosalind Franklin, soll nach Esa-Angaben voraussichtlich nördlich des Äquators in einem Gebiet namens Oxia Planum 218 Marstage (mit jeweils rund 24,5 Stunden) lang die Marsoberfläche erkunden. Das Gefährt kann mit Hilfe eines Bohrers Bodenproben aus bis zu zwei Metern Tiefe entnehmen und in einem Minilabor untersuchen. Die dortige Ebene war vor rund vier Milliarden Jahren mit Wasser überflutet.

Ein Konsortium unter anderem aus Thales Alenia Space, Airbus und OHB hat den Rover und das Transportmodul gebaut, das Rover und Lander zum Mars bringt. Das System wird nun bei Thales Alenia Space in Italien eingelagert - bis der neue Starttermin feststeht. Doch das kann dauern. Denn Roskosmos sollte für die zweite Exomars-Mission wieder die Rakete sowie die Landeeinheit für den Esa-Rover stellen. Außerdem waren einige russische wissenschaftliche Instrumente für den Rover vorgesehen. Für Rakete und Lander muss die Esa nun nach Ersatz suchen, die Nasa hat bereits grundsätzlich Unterstützung zugesagt.

Die Entscheidung kommt erst Ende des Jahres

Eigentlich wollte die Esa an diesem Mittwoch bei der Luftfahrtmesse in Farnborough bei London bekannt geben, wie es weitergeht. Nun scheinen die Dinge doch komplizierter zu sein, denn nur fünf Tage nach der Einladung hat die Esa den Termin wieder gecancelt. "Da es noch kein Abkommen mit der Nasa gibt und die endgültige Entscheidung der Esa-Länder erst beim Ministerrat Ende November kommt, können wir jetzt noch keine Lösung verkünden", sagt Didier Schmitt, Esa-Leiter im Bereich Bemannte Raumfahrt und robotische Erkundung, der SZ.

"Den Lander wollen wir selbst bauen, doch es gibt drei Dinge, die wir von der Nasa brauchen", sagt er. Zum einen die Trägerrakete, da die europäische Ariane wegen der Radioisotopen-Heizung auf dem Marsrover aus Sicherheitsgründen nicht infrage komme. "Außerdem Plutonium für die Rover-Heizung und Triebwerke für die finale Abbremsung bei der Marslandung, da müssen wir mit der Nasa verhandeln." Die Heizung ist nötig, um den Rover in kalten Marsnächten vor zu starker Abkühlung zu schützen.

Allerdings müssen den Plänen sowohl die Esa-Mitgliedsländer als auch die Nasa zustimmen, zumal das Vorhaben ja auch mit Mehrkosten verbunden sein wird. "Ein höheres Budget auf Esa-Seite ist zumindest bis 2025 nicht notwendig", sagt Schmitt allerdings. Und die Beiträge des neuen Partners Nasa müssten die Esa-Länder nicht finanzieren. "Wenn alles klappt, ist der Start für 2028 realistisch, wir brauchen sechs Jahre für die Vorbereitungen."

"Neue Verhandlungen mit Roskosmos wird es auf keinen Fall geben."

Heikel wäre es allerdings, wenn der schon 2016 gestartete Orbiter, der auch als Kommunikationsbrücke zum Rover dienen soll, bis 2028 den Geist aufgeben sollte. Aber dieses Problem sieht der Esa-Manager nicht. Der Orbiter sei dann zwar am Ende seiner offiziellen Lebensdauer, doch würden solche Satelliten meist länger arbeiten. Notfalls habe auch die Nasa Relaissatelliten im Marsorbit, die man nutzen könne. "Der Orbiter verfügt über beträchtliche Treibstoffreserven, sodass er in Zukunft auch die Datenübertragung des Exomars-Rovers und der Mars-Sample-Return-Kampagne unterstützen könnte", so die Esa. Zur Zeit fungiert der Orbiter auch als Datenübermittler der Nasa-Marsrover Curiosity, Perseverance und Insight.

Die Startoption 2028 ergibt sich auch daraus, dass es wegen der Stellung von Erde und Mars nur alle 26 Monate Startfenster gibt, die einen effizienten Flug zum Mars erlauben. Eines schließt Schmitt aber rigoros aus, um die Mission doch noch zu beschleunigen: "Neue Verhandlungen mit Roskosmos wird es wegen des Ukraine-Krieges auf keinen Fall geben, ganz und gar nicht." Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass sich die Nasa mit Roskosmos geeinigt hat, was den Astronautentransport zur ISS betrifft. Dabei sollen amerikanische Astronauten und russische Kosmonauten im Tausch in Sojus- und US-Kapseln mitfliegen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5624864
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/weis
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.