Süddeutsche Zeitung

Evolutionsbiologie:Der Gorilla im Mann

  • Auf dem Y-Chromosom im Erbgut von Mensch und Gorilla gibt es laut einer neuen Studie höhere Ähnlichkeiten als zwischen Mensch und Schimpanse.
  • Dieser Teil der DNA steuert die Ausprägung der männlichen Geschlechtsmerkmale.
  • Die Ergebnisse sind überraschend, da der Schimpanse deutlich enger mit dem Menschen verwandt ist als der Gorilla.

Von Christoph Behrens

Die männlichen Erbanlagen von Gorillas und Menschen ähneln sich stärker als bislang bekannt. Zu diesem Ergebnis kommen Biologen der Penn State University im Fachblatt Genome Research. Die Wissenschaftler untersuchten bei Gorillas, Menschen und Schimpansen die Y-Chromosomen, also den Teil der DNA, der die Ausprägung männlicher Geschlechtsmerkmale steuert.

Überraschenderweise zeigte das Y-Chromosom des Menschen eine größere Ähnlichkeit zum Gorilla als zum Schimpansen. Evolutionär ist der Schimpanse der nächste Verwandte des Menschen, beide Spezies trennten sich vor etwa fünf bis sieben Millionen Jahren voneinander. Der Gorilla spaltete sich bereits früher von einem gemeinsamen Vorfahren ab.

Kaum Daten zur männlichen Abstammungslinie

Die Ergebnisse der Forscher deuten darauf hin, dass die Entwicklung des Y-Chromosoms einen Sonderweg genommen hat. "Das Y-Chromosom des Schimpansen scheint sich im Vergleich zu Mensch und Gorilla stärker verändert zu haben", sagt Kateryna Makova von der Penn State University. Die Veränderungen beträfen etwa die Anzahl der Gene.

"An der engen Verwandtschaft zwischen Mensch und Schimpanse ändert sich damit nichts", sagt der Evolutionsbiologe Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. Allerdings war gerade das Y-Chromosom bislang ein dunkler Fleck im Stammbaum von Menschen und Affen. Dieser DNA-Abschnitt ist sehr kurz und daher schwierig zu entschlüsseln, zur männlichen Abstammungslinie gibt es deshalb kaum Daten. Ob die raschere Evolution den Schimpansen-Männchen genützt hat, ist bislang unklar. "Es könnte Vorteile, aber auch Nachteile gehabt haben", sagt Roos. So könne eine rasche Veränderung im Erbgut auch Erbkrankheiten begünstigen.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2016/tiba/fehu
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