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Evolution:Wie die Kröte zu ihrem Schild kam

Der Panzer der Schildkröte hat sich offenbar in zwei Schritten entwickelt: Ur-Schildkröten besaßen den Schutz nur am Bauch.

Reptilien haben zwar eine dicke Haut - der Panzer der Schildkröte aber ist eine einzigartige Struktur. Wissenschaftler haben in China nun die bislang ältesten Schildkröten-Fossilien der Welt ausgegraben.

Und die rund 220 Millionen Jahre alten Exemplare dreier Ur-Schildkröten geben neue Hinweise darauf, wie sich der Panzer der Reptilien im Verlauf der Evolution entwickelt hat.

Vermutlich sei er aus knöchrigen Verlängerungen und Verbreiterungen des Rückgrats und der Rippen entstanden, berichten die Forscher um Chun Li von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking im Fachmagazin Nature (Bd. 456, S. 497).

Die neue Art bekam den Namen Odontochelys semitestacea, was so viel heißt wie "Halb-Panzer-Schildkröte mit Zähnen". der Name weist auf die hervorstechendsten Merkmale der Tiere:

Während heute lebende Schildkröten sowohl Bauch- als auch Rückenpanzer besitzen, fehlt der obere Schild bei den Urzeit-Reptilien. Außerdem besitzen die Tiere Zähne anstelle der schnabelartigen Kieferleisten rezenter Schildkröten.

Die bislang ältesten Schildkröten-Fossilien wurden in Deutschland gefunden und auf ein Alter von 204 bis 206 Millionen Jahren datiert. Die Proganochelys quenstedti besaß allerdings bereits einen vollständigen Panzer und gab den Forschern deshalb keine Hinweise darauf, wie das Schutzschild der Tiere einst entstanden ist. Deshalb gab es bislang lediglich einige Hypothesen zur Entstehung des Panzers.

Nach Meinung der Wissenschaftler um Li-Jun Zhao vom Zhejiang Museum of Nature History (Hangzhou/China) stellen die nun entdeckten halbpanzrigen Schildkröten eine Übergangsform dar.

Einen Hinweis darauf lieferten etwa die rückseitig stark verbreiteten Rippen. Dies sei einer der ersten Schritte hin zu einem vollständigen Rückenpanzer. Bestätigt werde ihre Vermutung dadurch, dass der Panzer moderner Schildkröten während der Embryonalentwicklung im Ei auf die gleiche Weise gebildet wird, schreiben die Forscher.

Verknöcherte Hautplatten fanden die Forscher hingegen nicht. Dies spreche gegen eine andere Theorie, nach der der Panzer durch eine Verschmelzung solcher Hautplatten mit den Rippen und dem Rückgrat entstanden sei.

Die Untersuchung der Wissenschaftler stellt zudem die Annahme infrage, dass Schildkröten als Landlebewesen entstanden sind und sich erst später den Lebensraum Wasser erobert haben.

Odontochelys semitestacea jedenfalls schien in flachen Küstengewässern gelebt zu haben. Darauf deute der Fundort hin, aber auch das Vorhandensein des vollständigen Bauchpanzers. Dieser habe die Tiere im Wasser vor Angriffen aus der Tiefe geschützt. Auf dem Land sei ein derartiger Schutzschild bei den eng am Boden lebenden Tieren nicht vonnöten gewesen.

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dpa/mcs
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