Süddeutsche Zeitung

Evolution und Religion:Sorry, Darwin

Die Kirche von England hat sich bei Charles Darwin entschuldigt und stellt sich gegen den Kreationismus. Das wird nicht allen Bischöfen gefallen.

Christopher Schrader

Diese Worte hat Charles Darwin während seiner Lebenszeit nie hören können, sie wurden erst 126 Jahre nach seinem Tod geschrieben: "Charles Darwin, die Kirche von England schuldet Ihnen einen Entschuldigung, dass wir Sie falsch verstanden haben."

Der Satz steht am Ende einer Erklärung, die die anglikanische Kirche am Montag auf einer neuen Webseite über den Evolutionsforscher veröffentlicht hat. Reverend Malcolm Brown, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, vergleicht Darwin darin mit Galileo, den die katholische Kirche im 17. Jahrhundert angeklagt hatte.

Brown bekennt zudem den "anti-evolutionären Eifer", den seine Kirche nach der Veröffentlichung von Darwins Theorie 1859 gezeigt habe und den viele Kirchen noch pflegten. Gott habe sich aber sowohl in der Bibel als auch in der Arbeit von Forschern gezeigt.

Andrew Darwin, Ur-Ur-Enkel des Evolutionsforschers, hat die Entschuldigung der Tageszeitung Telegraph zufolge als "sinnlos" bezeichnet. Sie dürfte aber als Signal der Kirchenführung in einem internen Machtkampf interpretiert werden.

Vor allem amerikanische und afrikanische anglikanische Bischöfe wenden sich gegen die liberale Amtsführung des Oberhaupts der Kirche, des Erzbischofs von Canterbury, Rowan Williams. Ihnen wird nicht gefallen, dass sich die englische Staatskirche gegen den Kreationismus stellt und sich sogar eine Mitschuld am Erstarken der Lehre gibt.

Kreationismus in verschiedenen Ausprägungen ist bei fundamentalistischen Christen in den USA stark verbreitet. Sie nehmen die Schöpfungsgeschichte oft wörtlich und begegnen wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Urknall, die Evolution aller Arten und die Abstammung des Menschen ablehnend und intolerant. Etliche Bundesstaaten haben versucht, kreationistische Lehren zum Stoff im Biologie-Unterricht zu machen.

Diese Position schien vor einigen Tagen auch Michael Reiss, Bildungs-Direktor der britischen Royal Society zu vertreten. Auf einem Wissenschaftsfestival in Liverpool warb er dafür, Kreationismus in wissenschaftlichen Fächern zu behandeln. Inzwischen hat er die Bemerkungen eingeordnet: "Kreationismus hat keine wissenschaftliche Basis", bekräftigt er.

Die Lehre solle nicht Stoff im Biologie-Unterricht werden. Lehrer sollten aber bereit und in der Lage sein, Fragen ihrer Schüler zu beantworten. "Lehrer sollten Kreationismus als Weltanschauung darstellen", empfiehlt Reiss.

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SZ vom 16.09.2008/mcs
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