Evolution:Hohe Temperatur - langer Schnabel

Vögel in warmen Gebieten haben eher lange Schnäbel, in kalten Regionen eher kurze. Das hängt offenbar damit zusammen, dass sie ihr Mundwerk nicht nur zum Fressen verwenden.

Wie einem Vogel der Schnabel gewachsen ist, hängt nicht nur davon ab, was er frisst. Zwar nutzen Meise und Fink ihren kurzen, kräftigen Schnabel, um Körner zu knacken, der Kolibri setzt seinen langen gebogenen Schnabel ein, um Blüten-Nektar zu schlürfen und der riesige Schnabel des Tukan ist eine Anpassung an die Ernährung mit tropischen Früchten.

Tukan

Der Tukan lebt in warmen Tropenregionen. Er braucht seinen langen Schnabel offenbar auch, um überschüssige Hitze loszuwerden.

(Foto: Universitiy of Melbourne)

Kanadische und australische Zoologen haben jetzt jedoch einen weiteren Faktor ausfindig gemacht, der die Größe des Vogelschnabels offenbar beeinflusst: Das Klima.

Vögeln dient der Schnabel zur Wärmeregulation, schreibt das Forschungsteam um Matt Symonds und Glenn Tattersell von den Universitäten Melbourne und Brock im Fachmagazin American Naturalist.

"Sie schwitzen nicht wie Menschen, aber sie verwenden ihre Schnäbel, um die Körpertemperatur zu reduzieren, wenn sie überhitzt sind", erklärt Tattersell. Dass Tukane und Gänse große Mengen ihrer Körpertemperatur über ihre Schnäbel verlieren, war den Wissenschaftlern bereits bekannt.

Nun wollten sie wissen, ob dies auch Auswirkungen auf die Evolution des Vogelschnabels gehabt haben könnte.

Die Forscher untersuchten 214 Vogelarten rund um den ganzen Globus, darunter afrikanische Bartvögel, Möwen, australische Papageien, Grasfinken und Pinguine.

"Über alle Arten hinweg gab es einen starken Zusammenhang zwischen der Schnabellänge, dem Breitengrad, der Höhenlage sowie der Umwelt-Temperatur", sagt Symonds.

So stellten die Wissenschaftler fest, dass Vögel in warmen Gebieten eher große Schnäbel haben, während Vögel in kalten Regionen tendenziell kleinere Schnäbel besitzen. Es sei denkbar, so ihr Schluss, dass sich in heißen Klimata lange Schnäbel entwickelt haben, um überschüssige Hitze loszuwerden, während kleine Schnäbel einen Vorteil bei kalten Temperaturen darstellen.

"In einer kalten Umgebung könnte es schlichtweg zu viel Energie kosten, einen großen Wärmeabstrahler mit sich herumzutragen", vermutet Tattersall.

Die Beobachtungen passen zu einer mehr als hundert Jahre alten Theorie der Ökologen, der zufolge die Größe von Gliedmaßen und Körperanhängen wie Ohren oder Schwänzen von der Umgebungstemperatur beeinflusst wird.

Die sogenannte Allen-Regel beruht auf der Tatsache, dass bei einem großen Körper die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen kleiner ist als bei einem kleinen Körper. Demnach verliert ein Tier über lange Körperanhänge mehr Hitze als über kurze. Wüstenfüchse besitzen deshalb große Ohren als Kühler, Polarfüchse dagegen nur kleine, um möglichst wenig Wärme abzugeben. Und bei Vögeln wirkt die Allen-Regel offenbar auf die Schnäbel.

Die Allen-Regel, so erklärt Symonds, wurde bislang noch nie an einer so großen Gruppe von Tieren getestet, die Beobachtungen galten eher als anekdotisch. Ihre Studie sei "die erste strenge Studie ihrer Art, um die Theorie zu testen und zu zeigen, dass Vogelschnäbel sich entsprechend entwickelt haben".

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