Evolution:Testpersonen mit rohen Fleischklumpen zwischen den Zähnen

Evolution: Weil der Menschen kauen kann, ist er gewachsen und hat sich entwickelt.

Weil der Menschen kauen kann, ist er gewachsen und hat sich entwickelt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Forscher untersuchen, wie der Frühmensch Homo erectus kauen konnte - trotz kleiner Zähne und schwachem Kiefer.

Von Astrid Viciano

Die Forscher hatten sich auf Ziegenfleisch geeinigt, frisch ausgespuckt. Tapfere Probanden schoben sich Fleischbrocken des Paarhufers zwischen ihre Zähne, roh oder gegrillt, weich geklopft oder in Streifen geschnitten. Sorgsam auf einem Tablett deponiert, sollten die zerkauten Klumpen helfen, ein Rätsel der menschlichen Evolution zu lösen, so berichten Wissenschaftler der Harvard University im Fachblatt Nature.

Ähnlich wie der moderne Mensch besaß nämlich auch der Frühmensch Homo erectus kleine Zähne und schwache Kiefer, im Gegensatz zu den Vormenschen mit ihren riesigen Beißern. Dennoch gelang es Homo erectus, sehr effizient Energie zu sich zu nehmen und mächtig an Gehirn- und Körpermasse zuzulegen. Aber wie? Dass der Frühmensch vor rund zwei Millionen Jahren Fleisch zu essen begann, wussten die Forscher bereits.

31 Kaubewegungen bei Ziegenfleisch

Auch dass die Vormenschen eine Millionen Jahre zuvor erste Steinwerkzeuge entwickelt hatten, war den Spezialisten bekannt. Wie sich beides auf die Kauleistung des Frühmenschen auswirkte, konnten die amerikanischen Evolutionsbiologen nun eindrucksvoll belegen.

Hatten die Testpersonen einen rohen Fleischklumpen zwischen den Zähnen, mussten sie 40 Mal darauf herumkauen. Schoben sie sich dagegen Streifen des Ziegenfleischs in den Mund, waren nur 31 Kaubewegungen nötig. Indem die Frühmenschen ihr Fleisch vor dem Essen zerkleinerten, sparten sie sich pro Jahr 2,5 Millionen Kaubewegungen, so kalkulierten die Forscher.

"Statt wie Schimpansen den halben Tag auf ihrer Nahrung herumzukauen, konnten die Frühmenschen diese schneller aufnehmen und auch effizienter verdauen", sagt Michael Berthaume vom Max Planck Weizmann Zentrum für Integrative Archäologe und Anthropologie in Leipzig. Dieser Energie-Schub erlaubte es dem frühmenschlichen Gehirn und Körper, prächtig zu gedeihen. Der Appetit auf Fleisch dürfte den mutigen Probanden der Kautests dagegen erst einmal vergangen sein.

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