Evolution des Menschen:Zähne vom Ursprung

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Vielleicht haben sich unsere Ur-Urahnen nicht in Afrika, sondern in Asien entwickelt. Darauf deuten 39 Millionen Jahre alte Zähne menschenähnlicher Affen hin, die dort gefunden wurden.

Hubert Filser

Christopher Beard sitzt vermutlich gerade draußen an diesem staubigen Steilhang bei Dur At-Talah unter der heißen libyschen Sonne und versucht, den Millionen Jahre alten Gesteinsschichten Antworten zu entlocken.

So stellen sich die Forscher die Arten Afrotarsius (oben links), Karanesia (oben rechts), Biretia (unten links), und Talahpithecus (unten rechts) vor. (Foto: Klinger/Carnegie Mus. of Nat.His)

Jedenfalls ist der amerikanische Paläontologe im Moment nicht ans Telefon zu kriegen, um über seine neue, in Fachkreisen umstrittene These zu sprechen.

Demnach seien Anthropoiden, also menschenähnliche Affen, vor mindestens 39 Millionen Jahren von Asien aus nach Afrika eingewandert und hätten den Kontinent besiedelt ( Nature, Bd.467, S. 1095, S.2010).

Dies widerspricht der gängigen Idee, wonach die Menschenaffen sich in Afrika selbst entwickelt haben. Solche Meldungen machen stets Wirbel, denn es geht um die Frage, wo wir Menschen herkommen?

Die Entdeckung ist den geologischen Verhältnissen zu verdanken. Aufgrund von Erosion oder Bewegungen der Erdkruste haben die Forscher in Dur At-Talah Zugang zu rund 39 Millionen Jahre alten Abfolgen von Sandstein und Schichten mit Muscheln. Sie stammen also aus dem Erdzeitalter des Eozäns.

Diese Epoche ist spannend, weil sich in dieser Zeit die Gattung der Säugetiere sprunghaft entwickelt hat. Damals war die Erde komplett eisfrei. Es herrschten im Mittel Temperaturen von 30 Grad Celsius, so dass sogar am Nordpol Palmen wuchsen.

Jean-Jacques Jaeger von der französischen Université de Poitiers und Mustafa Salem von der Al Fateh University, Tripolis, Libyen, untersuchen den neu entdeckten Zahn. (Foto: MPFL)

Schwierig macht die Sache nur, dass es nach wie vor so wenige Knochenfunde gibt. So ist auch die Begeisterung von Beard zu verstehen: "Diese außergewöhnliche neue Fossilienfundstätte zeigt uns, dass es vor 39 Millionen Jahren eine überraschende Vielfalt von Anthropoiden in Afrika gab, davor jedoch finden wir praktisch keine menschenähnlichen Affen."

Aus diesem plötzlichen Erscheinen schließt Beard, dass die Anthropoiden aus einer anderen Region auf den damaligen Inselkontinent Afrika eingewandert seien und ihre Artenvielfalt in Asien entwickelt haben.

"Als die Anthropoiden in Afrika ankamen, gab es nichts dort, was mit ihnen mithalten konnte", sagt Beard. "Das führte in eine Zeit einer blühenden evolutionären Verzweigung bei den menschenähnlichen Affen, und eine dieser Linien führt zu uns Menschen."

Hätte es diese Einwanderung nicht gegeben, würden wir heute nicht existieren, so einfach sei das, schließt Beard. Tatsächlich haben die Forscher Fossilienreste von vier verschiedenen Affen aus drei Familien gefunden, eine für damalige Verhältnisse verblüffende Vielfalt.

Allerdings beruhen sämtliche Überlegungen zur Stammbaumeinteilung auf der Untersuchung von 23 Backen- und Vormahlzähnen. Die Forscher versuchen sogar, mittels komplexer Formeln aus den Variablen des unteren Backenzahns M1 auf das Körpergewicht zu schließen. Die Affen wogen demnach zwischen 120 und 470 Gramm, je nach Art.

Ein Künstler, der wie Beard am Carnegie Museum of Natural History Museum arbeitet, hat es sogar gewagt, die vier Äffchen zu zeichnen. Traut vereint sitzen sie auf Palmen eines Küstenwaldes und verzehren genüsslich bunte Schmetterlinge, rotschwarze Käfer und fiese Stechmücken. Unter ihnen plätschert das Meer.

Dass Jahrmillionen später dort Wüste sein würde, ahnen die Äffchen nicht. Doch die schönste Illustration ändert nichts daran, dass die Interpretation der Funde auch ein bisschen ein Glaubenskampf auf der Basis von allzu wenigen Fossilien ist.

© SZ vom 28.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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