Süddeutsche Zeitung

Evolution des Hundes:Der Fremde an meiner Seite

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Bis heute rätseln Forscher: Wie kam der Mensch auf den Hund? DNA-Analysen deuten nun zumindest darauf hin, dass sich das vermutlich älteste Haustier des Menschen in Europa entwickelt hat.

Vom Katrin Blawat

Etwas Leberwurst, ein Ball oder eine streichelnde Hand: Oft reicht das, um sich einen Hund zum Freund zu machen. Man kann das als typisch hündische Untertänigkeit abtun - oder als das Ergebnis einer jahrtausendealten Gemeinschaft zwischen Homo sapiens und Canis familiaris feiern. Wie kein anderes Haustier hat es der Hund geschafft, sich in engster Nähe zum Menschen zu etablieren.

Umso mehr erstaunt, dass die Anfänge dieser gemeinsamen Geschichte bis heute ungeklärt sind. Wie, wann und warum ist der Mensch einst auf den Hund gekommen? Das vermutlich älteste Haustier des Menschen ist diesem im Grunde bis heute ein Rätsel geblieben. Wer da am unteren Ende der Leine zerrt, ist ein Fremder - jedenfalls, was seinen Ursprung angeht.

Der Hund stammt vom Wolf ab, so viel immerhin steht fest. Doch schon wenn es um den Erdteil geht, in dem aus dem Wild- ein Haustier wurde, streiten sich die Forscher. Der Hund habe sich in Europa entwickelt, berichten nun Biologen in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science. Sie hatten Erbgut-Abschnitte heutiger Hunde und Wölfe mit denen aus Fossilien beider Arten verglichen. Allerdings hatten sie vor allem prähistorische Erbgut-Proben aus Europa untersucht. Andere Wissenschaftler verorten den Ursprung des Haushundes in China. Als dritter Kandidat gilt der Nahe Osten.

Schwierig zu beantworten ist die Frage unter anderem, weil der Übergang vom Wolf zum Hund sich wohl allmählich vollzog. Gut möglich, dass der Wolf über Jahrtausende in verschiedenen Teilen der Erde gelegentlich die Nähe zum Menschen suchte und sich dabei ein Stück in Richtung Haustier entwickelte, dann aber wieder eigene Wege ging. Wegen dieser einst unsteten Beziehung zwischen Mensch und Tier lassen sich viele archäologische Funde nicht eindeutig dem Wolf oder dem Hund zuordnen. Das Gleiche gilt für jahrtausendealte Erbgut-Fitzel.

Auch die Angaben darüber, wie lange der Hund schon an der Seite des Menschen bellt, variieren stark. So waren mal 30 000 Jahre im Gespräch, viele Forscher halten jedoch etwa 15 000 Jahre für plausibel. Damit hätte sich der Mensch sein erstes Haustier herangezüchtet, lange bevor er sesshaft wurde, Viehhaltung und Landwirtschaft begannen.

Doch war es überhaupt der Mensch, der den Wolf domestizierte? Vielleicht gingen die ersten Schritte ja von dem Raubtier selbst aus - weil es erkannt hatte, dass in der Nähe des Menschen ab und zu Aas liegen blieb. Eine lose Zweckgemeinschaft könnte so entstanden sein, ohne gegenseitige Pflichten oder Emotionen. Letztere kamen erst ins Spiel, wenn ein Welpe seinen Weg in eine Menschenfamilie fand.

Kulleraugen und plüschiges Fell dürften auch vor Jahrtausenden manches Herz erweicht haben. Und hatte der Wolf den Menschen erst einmal für sich gewonnen, erkannte dieser, wie vielseitig er seinen neuen Begleiter einsetzen konnte. Dann brauchte es nur noch ein bisschen Zucht und Selektion - schon wedelte der Ringelschwanz des Mopses neben den Schlappohren des Labradors.

War es tatsächlich so? "Niemand weiß das", sagt der schwedische Hundeforscher Peter Savolainen. "Aber es ist doch eine schöne Theorie, an die man gerne glaubt."

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Quelle:
SZ vom 15.11.2013
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