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Evolution:Blattläuse fallen immer auf die Füße

Beim Angriff eines Marienkäfers hat die Blattlaus nur eine Chance zu entkommen: der Sturz vom Blatt. Wissenschaftler konnten nun zeigen, wieso Erbsenblattläuse dabei immer in Bauchlage landen.

Von Katzen heißt es, sie würden immer auf ihre Pfoten fallen. Aber auch für Erbsenblattläuse (Acyrthosiphon pisum) gilt, dass sie sich während eines Sturzes vom Blatt so drehen, dass sie nicht auf dem Rücken oder gar dem Kopf landen, sondern auf den Füßen. Das ist wichtig für die Insekten, da sie so zum Beispiel vor Marienkäfern flüchten können. Das gilt zumindest für diejenigen Blattläuse, die keine Flügel besitzen.

Gerade weil es den Tierchen schwer fällt, von der Rückenlage aus auf die Beine zu kommen, ist die Drehung in der Luft wichtig. Wie den Läusen das gelingt, haben israelische Forscher untersucht. Demnach bringen die Insekten im Fallen ihre Beine und Antennen in eine Position, die dazu führt, dass der Luftwiderstand sie innerhalb eines Sekundenbruchteils mit dem Bauch nach unten ausrichtet, schreibt ein israelisches Forscherteam im Fachjournal Current Biology.

Die Biologen und Ingenieure zeichneten Stürze der Blattläuse mit Spezialkameras auf. Die Filme zeigten, dass die Insekten sich einfach fallen lassen und selbst aus der geringen Höhe von 20 Zentimetern fast immer auf den Füßen landen.

Die schnelle Drehung führt den Forschern zufolge dazu, dass die Tiere oft nicht bis auf den Boden fallen. Von dort aus müssten sie erst mühsam wieder auf die Pflanze klettern und könnten erneut auf Räuber stoßen. Vielmehr finden sie sich nach dem Sturz häufig auf einem tiefer liegenden Blatt wieder.

Aufgefallen war die Bauchlandung der Tiere zuerst Moshe Gish von der University of Haifa. Er überprüfte seine Beobachtung, in dem er Blattläuse auf einen Karton fallen ließ, der mit einem roten Puder bedeckt war. Tatsächlich wiesen die Tiere nach dem Sturz so gut wie immer einen roten Punkt auf dem Bauch auf, nicht jedoch auf dem Rücken.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Moshe Inbar sowie Gal Ribak und Daniel Weihs vom Israel Institute of Technology (Technion) untersuchte er den Vorgang genauer. Nachdem sie Hunderte Aufnahmen ausgewertet hatten, auf denen zu sehen war, wie Blattläuse vor Marienkäfern flüchten, wussten sie: Die Erbsenläuse landen in 96 Prozent der Fälle auf ihren Füßen. Doch wie kann das sein?

Mit Hilfe mathematischer Modelle konnten die Wissenschaftler schließlich zeigen, dass die Ausrichtung der Tiere auf ihren aerodynamischen Körper zurückgeht. "Es gibt viele Daten über biochemische, physiologische und verhaltensbiologische Anpassungen", erklärt Ribak. "Aber die vergleichende Biomechanik zeigt uns, dass die Tiere die Gesetze der Physik ebenfalls zu ihrem Vorteil ausnutzen."

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