In Italien hat es in den vergangenen Tagen immer mal wieder geregnet. In der Hauptstadt Rom ist der Tiber gut gefüllt. Auch in Venedig, wo Gondeln im Februar noch auf dem Trockenen lagen, was spektakuläre Bilder ergab, haben Schiffe wieder Wasser unter dem Kiel: Das könnte den Eindruck erwecken, die Nachrichten über Wassernot und drohende Dürre in Norditalien seien alarmistisch gewesen. Nur leider waren sie das nicht. In Venedig ist das Ganze eher ein Thema der Gezeiten, allerdings ein ungewöhnlich heftiges, im Inland aber ist der Wassermangel jetzt schon, im März, eklatant, die Pegelstände stehen teilweise auf August-Niveau.
Wer den Po quert, die große Wasserader des Nordens, sieht einen deutlich ausgezehrten Fluss mit breiten Ufern, und selbst die bekannten Seen in Norditalien sind erkennbar getroffen. Eindrücklich ist das Inselchen San Biagio bei Manerba del Garda, das über einen aus dem Wasser gekommenen, mehrere Hundert Meter langen Kiesdamm zu erreichen ist. Es wird von Süßwasserreservoirs berichtet, die selbst jetzt, nach dem Winter, nur zu einem Drittel gefüllt sind, und überall gibt es die gleiche Erklärung: Es kommt zu wenig Wasser, von oben und aus den Bergen, wo in diesem Winter mehr als 50 Prozent weniger Schnee gefallen ist als früher. Zu wenig Wasser, das verändert die bekannten und bewährten Abläufe. Und auf diesen Abläufen fußt die Landwirtschaft in Norditalien, die ein Drittel der Produktion des ganzen Landes ausmacht. Schon im vergangenen Jahr war Italien von der schlimmsten Dürre betroffen, an die die Menschen sich erinnern, mit Ernteausfällen im Wert von sechs Milliarden Euro und Gefahren auch für die Energieversorgung aus Wasserkraft. Und weil ein wenig Regen jetzt auch nicht hilft, sind die Experten und selbst die Politiker ungewöhnlich früh im Jahr in Sorge.
Die Regierung von Giorgia Meloni in Rom hat einen Krisenstab einberufen, der die Lage kontinuierlich beobachten soll. Die Anwohnergemeinden am Gardasee sprechen sich über erste Maßnahmen ab, wie man Wasser sparen kann. Ein bekanntes Problem sind die undichten Leitungen im ganzen Land, die teilweise mehr als die Hälfte des Wassers verlieren und ersetzt werden sollen - ein Mammutprojekt. Umweltschützer allerdings fordern viel mehr: ein dauerhaftes Umsteuern in der Landwirtschaft, das Entsiegeln der Böden in der Umgebung von Städten, wassersparenderes Bauen und Produzieren. Die Debatte läuft, nur eines scheint sicher: Der Sommer kommt, und er wird heiß und trocken. Marc Beise
In Frankreich kommt das Wasser per Tankwagen
In einigen französischen Regionen war es in den vergangenen Wochen verboten, das Auto zu waschen, die Blumen im Garten zu gießen und den Rasen in Sportstadien zu bewässern. Das südfranzösische Département Var hat gleich für die kommenden fünf Jahre den Bau neuer Swimmingpools untersagt. In manchen französischen Gemeinden waren die Wasserspeicher so leer, dass ein Tankwagen sie versorgen musste. Noch immer sind vier Départements nach Angaben des Umweltministeriums in erhöhter Alarmbereitschaft.
Sécheresse hivernale, Winterdürre, heißt das Phänomen, unter dem das Land leidet. Mehr als 30 Tage lang hat es im Januar und Februar in Frankreich nicht geregnet. So lange wie noch nie im Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1959. Der stattliche Lac Montbel im Südwesten Frankreichs war zwischenzeitlich nur noch eine Pfütze, gerade mal 20 Prozent des Stausees waren noch gefüllt. Flüsse wie die Rhône und die Garonne führten deutlich weniger Wasser als sonst um die Jahreszeit.
Zu Beginn des Winters hatte Präsident Emmanuel Macron wegen der Energiekrise zum Stromsparen aufgerufen, jetzt hält er zum Wassersparen an. "Frankreich braucht einen Sparplan", sagte Präsident Emmanuel Macron vor wenigen Tagen bei der Landwirtschaftsmesse in Paris. Statt im letzten Moment unter Zwang das knappe Wasser zu reglementieren, gelte es, frühzeitig zu planen. Seine Regierung soll jetzt einen Wassersparplan ausarbeiten.
Auch wenn in den vergangenen Tagen über vielen französischen Regionen der langersehnte Regen tröpfelte, sind Experten besorgt. Denn vor allem im Süden des Landes ist der Boden so ausgetrocknet, dass das Wasser nicht tief eindringen kann. Um das Defizit auszugleichen, müsste es im März im ganzen Land jeden Tag etwa zehn Liter pro Quadratmeter regnen, berechnete der Klimatologe Serge Zaka in der Zeitung Libération - und das sei unmöglich. Dabei ist die Zeit zwischen November und März besonders wichtig, um die Grundwasserspeicher aufzufüllen. Wie das staatliche Institut für Geowissenschaften (BRGM) mitteilte, waren im Januar drei Viertel der französischen Grundwasserspeicher weniger voll als in den Vorjahren.
Schon im vergangenen Sommer hatte Frankreich unter einer schweren Trockenheit gelitten, in mehreren Regionen hatte es Hitzerekorde und Waldbrände gegeben. In diesem Jahr brannten im südfranzösischen Perpignan schon Anfang Februar die ersten Wälder. Kathrin Müller-Lancé
Katalonien beschränkt Wasserverbrauch
Spanien leidet seit Monaten unter mangelnden Niederschlägen. Zuletzt habe sich die Situation zwar verbessert, weil es im Dezember viel geregnet hat, zehn Prozent der gesamten Landesfläche seien aber weiterhin von Dürre betroffen, heißt es in einem Bericht des Umweltministeriums. Das gilt vor allem für den Norden Spaniens sowie für Teile von Andalusien und Kastilien-La Mancha.
Spanien werde sich langfristig auf immer wiederkehrende extreme Szenarien einstellen müssen, warnte Ministerin Teresa Ribera im Januar. Die Regierung hat Ausgaben in Höhe von 23 Milliarden Euro angekündigt, um die landesweite Wasserversorgung zu schützen und zu verbessern. "Wir können uns nicht allein auf den Regen verlassen, wenn es darum geht, die Versorgung mit Trinkwasser oder Wasser für wirtschaftliche Zwecke zu gewährleisten", sagte Ribera.
Durch den Klimawandel werden die Dürren im Süden Spaniens länger und die Regenfälle kürzer, aber intensiver. Mit der Folge, dass sich die Stauseen nicht richtig auffüllen können: Normalerweise sind die Reservoirs im Winter zu zwei Dritteln gefüllt, derzeit sind sie es im nationalen Durchschnitt nur noch zu 44 Prozent.
In etlichen Regionen gibt es deswegen schon Beschränkungen für den Wasserverbrauch. Ende Februar hat auch die Regierung von Katalonien neue Verordnungen erlassen: Öffentliche Flächen und private Gärten dürfen nicht mehr bewässert werden, die Landwirtschaft muss ihren Wasserverbrauch um 40 Prozent, die Industrie um 15 Prozent senken und die tägliche Wassermenge pro Einwohner wird von 250 auf 230 Liter gesenkt.
Schon 2022 war in weiten Teilen Spaniens sehr trocken. In vielen Regionen erreichten die Niederschläge nicht einmal 75 Prozent ihres normalen Wertes - und es gibt keine Anzeichen, dass sich die Situation in nächster Zeit verbessern könnte. Der spanische Wetterdienst warnt angesichts der jüngsten Rekorde bereits vor einer "langfristigen Dürre". Celine Chorus
Gelb und rote Warnfarben in Deutschland
An Tankwagen ist in Deutschland noch lange nicht zu denken, doch ein ungewöhnlich niedriger Rheinpegel hat sichtbar gemacht, dass es im Winter zu wenig Niederschlag gab. Inzwischen ist der Pegel wieder gestiegen, doch die Niederschläge der vergangenen Tage ändern nichts an der Diagnose: Deutschland ist für diese Jahreszeit zu trocken. Das zeigt auch der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung: Die Deutschlandkarte gibt Auskunft darüber, wie feucht der Boden bis in etwa 1,80 Meter Tiefe ist. Momentan leuchtet sie weitgehend gelb für "ungewöhnlich trocken" bis rot ("außergewöhnliche Dürre").
"Es ist totaler Wahnsinn, dass die Dürre jetzt auch in den Wintermonaten nicht abreißt", sagt Helmholtz-Wissenschaftler Andreas Marx. Seit 2018 war es in großen Teilen Deutschlands immer zu trocken. Nur in einigen Gebieten, etwa in Bayern, war die Dürre durch einen niederschlagsreichen Sommer 2021 unterbrochen worden. Eine Folge: Mehr als 500 000 Hektar Wald sind verloren gegangen.
Was das für dieses Jahr bedeutet? Für die Landwirtschaft, die nah an der Oberfläche arbeitet, lasse sich noch gar keine Aussage treffen, sagt Marx - wenn es ausreichend regnet, sei eine gute Ernte drin. Was die tieferen Schichten angeht, in denen Bäume wurzeln, müsste es schon ein halbes Jahr lang überdurchschnittliche viel Niederschlag geben, damit die gelben bis roten Farbtöne aus dem Dürremonitor verschwinden. Und schon jetzt ist klar, dass sich 2023 weniger neues Grundwasser bildet als normal. Viele Städte und Gemeinden sind schon dabei, sich auf längere Dürrezeiten einzustellen. Sie vernetzen ihre Trinkwasserversorgung miteinander, manche denken über Fernleitungen nach.
Trocknet Deutschland aus? Marx beruhigt - zumindest ein wenig. "Im Mittel bleibt Deutschland ein wasserreiches Land", sagt er. Aber: "Die Wahrscheinlichkeit, dass diese extremen Dürreereignisse, auch mehrjährige, wieder auftreten, steigt." Es komme in Zukunft darauf an, "dass wir das Wasser, das wir im Winter zu viel haben, in den Sommer bekommen". Claudia Henzler