EU-Klimaschutz gescheitert:Die Angst vor dem Offenbarungseid

Manche Staaten haben ihre Klimaziele so weit verfehlt, dass die EU insgesamt ihre Vorgaben kaum noch einhalten kann.

Wolfgang Roth

Nicht nur Deutschland, der gesamten Europäischen Union steht der Glaubwürdigkeitstest bevor. Immer ist die EU auf den Klimakonferenzen als Musterknabe aufgetreten, und das interne System des Handels mit Treibhausgas-Lizenzen sollte der restlichen industrialisierten Welt zeigen, dass auf diesem Erdteil Ernst gemacht wird mit den Vorgaben von Kyoto.

Die Realität sieht anders aus. Nur Großbritannien, Schweden, Finnland und Frankreich demonstrieren, dass sie die Ziele jetzt schon erreicht haben. Deutschland ist nicht so weit davon entfernt, stand aber schon einmal besser da.

In einigen Jahren nach der Jahrtausendwende ist der Ausstoß von Kohlendioxid durch die Stromerzeugung wieder gestiegen - und dies trotz der zahlreichen Windräder im Norden.

Nun rächt sich, dass die Kommission vor der ersten, bis 2008 angesetzten Phase des Handelssystems noch nicht die Kraft hatte, die nationalen Pläne stärker zu korrigieren. Für die zweite Phase bis 2012 werden außer Deutschland noch acht weiteren Staaten Nachbesserungen auferlegt. Frankreich entging dem Verdikt aus Brüssel nur, weil es seinen Entwurf vor der fälligen Ablehnung zurückzog. Einige haben sich dem Offenbarungseid schlicht entzogen, indem sie gar nichts eingereicht haben: Österreich, Dänemark, Spanien, Italien, Tschechien und Ungarn droht deshalb nun ein Vertragsverletzungsverfahren.

Die EU ist nach dem Kyoto-Protokoll verpflichtet, gegenüber dem Basisjahr 1990 insgesamt acht Prozent weniger Treibhausgase bis 2012 zu produzieren.

Dieses Ziel wäre völlig illusionär, wenn da nicht der wirtschaftliche Zusammenbruch in jenen Ostblockländern wäre, die der Union beigetreten sind.

Auch die deutsche Bilanz sähe wesentlich schlechter aus ohne die Demontage der DDR-Anlagen. Großbritannien profitiert dagegen von der Zerschlagung der Kohle-Industrie, die der Regierung Thatcher auch zupasskam, um der mächtigen Bergarbeiter-Gewerkschaft den Boden zu entziehen.

Unter den größeren EU-Ländern tut sich Frankreich noch am leichtesten mit den Vorgaben, weil es aufgrund des hohen Anteils von Atomstrom nur das Niveau von 1990 einhalten muss.

Deutschland hat hingegen im Rahmen der EU- internen Lastenverteilung eine Reduzierung von 21 Prozent zugesagt; dazu fehlen derzeit noch ungefähr drei Prozent.

Meilenweit daneben liegen aber andere Staaten. Spanien etwa produziert mittlerweile rund 50 Prozent mehr Treibhausgase als 1990. Auch Österreich, Dänemark, Portugal, Irland, Italien und die Niederlande verfehlen ihre jweilige Marke so deutlich, dass nicht ersichtlich ist, wie sie das Soll ohne schwerwiegende ökonomische Verwerfungen erfüllen können.

Wirtschaftspolitisch erwünscht, aber klimapolitisch höchst problematisch ist der notwendige Aufschwung in Beitrittsländern wie Polen, Tschechien oder Ungarn. Sie alle haben nach dem Kyoto-Protokoll einen erheblichen Nachholbedarf; daraus folgt, dass die klassischen EU-Staaten dies künftig mit verstärkten Anstrengungen ausgleichen müssten, um die Klima-Erwärmung bis 2050 auf jene zwei Grad Celsius zu beschränken, die der Wissenschaft als gerade noch hinnehmbares Übel gelten.

Wie schwer das ist, zeigen die Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin: Danach hat die alte EU mit 15 Mitgliedern es gerade mal geschafft, den wichtigsten Schadstoff Kohlendioxid bis 2005 um 0,3 Prozent zu mindern.

Der Emissionshandel gibt den Treibhausgasen erstmals einen Wert - sie tauchen als Kosten in der Bilanz der Unternehmen auf, während es bisher gratis war, das Erdklima aufzuheizen.

Ob dieses Instrument wenigstens in Europa wirksam ist, hängt von der Durchsetzungsfähigkeit der Kommission, letztlich aber vom politischen Willen der Regierungen ab. Das Lizenzsystem wurde seinerzeit auf Betreiben der USA ermöglicht, die sich dann aber vom Kyoto-Protokoll verabschiedeten.

In den Vereinigten Staaten hatte man schon gute Erfahrungen mit dem Handel von Rechten zum Ausstoß von Schwefeldioxid gemacht. Diesem Schadstoff war aber mit moderner Filtertechnik beizukommen. Wer Kohlendioxid reduzieren will, muss dagegen drastisch die Verbrennung von Erdöl, Kohle und Gas reduzieren, mit effizienterer Technik, aber auch durch verändertes Konsumverhalten und andere Formen der Mobilität. Europa ist das Testfeld.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: