Erreger in Europa:"West-Nil-Virus kaum zu bremsen"

Bereits 13 Todesopfer hat der Ausbruch des West-Nil-Fiebers in Griechenland und Rumänien gefordert. Experten befürchten, dass sich der Erreger in Europa bis nach Deutschland ausbreiten könnte.

Markus C. Schulte von Drach

13 Menschen sind in Europa nach einer Infektion mit dem West-Nil-Virus gestorben.

West-Nil-Virus

So sehen West-Nil-Viren aus. In den USA sind seit 1999 Hunderte Menschen am West-Nil-Fieber gestorben. Auch in Europa kommt es immer wieder zu Ausbrüchen. In Zukunft auf in Deutschland?

(Foto: CDC)

Elf Tote und 150 schwere Fälle des West-Nil-Fiebers hat das griechische Gesundheitsministerium gezählt, zwei Tote und fünf Erkrankte meldeten die Behörden in Rumänien. Weitere Patienten werden zurzeit noch untersucht.

Da die Krankheit bei weniger als einem Prozent einen schweren Verlauf nimmt, muss man allein in Griechenland von etwa 15.000 Betroffenen ausgehen. Zum Glück ist der Erreger für die meisten Infizierten nicht lebensbedrohlich - von einem Killer-Virus lässt sich nicht sprechen. Betroffene leiden unter Kopf- und Gliederschmerzen, dazu können Erbrechen und Durchfall kommen. In schweren Fällen droht eine Gehirn- oder eine Hirnhautentzündung. Ältere Menschen oder Patienten mit schwachem Immunsystem können nach einer Infektion sterben. Medikamente oder einen Impfstoff gibt es bislang nicht.

Da das West-Nil-Fieber jedoch in den meisten Fällen ohne Behandlung wieder abklingt, wird eine Infektion häufig gar nicht festgestellt. Die Patienten sind danach in der Regel immun gegen das Virus. Das gilt seit der Epidemie 1996 in Rumänien zum Beispiel für 4,1 Prozent der Einwohner Bukarests und für 0,9 Prozent der Bevölkerung in anderen Landesteilen, wie Staatssekretär Adrian Streinu-Cercel vom Gesundheitsministerium der Deutschen Presseagentur zufolge erklärt hat.

Nach Infektionswellen 1996 in Bukarest und in Russland 1999 mit jeweils etlichen hundert Patienten, nach 20 schweren Krankheitsfällen in Ungarn 2008 und der Identifizierung des Virus in Österreich in Vögeln im vergangenen Jahr wächst nun die Sorge, dass sich das Virus weiter in Europa ausbreitet.

"Die Zahl der Fälle wird in Europa wahrscheinlich zunehmen", erklärt Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. "Das Virus wird sich nach Norden ausbreiten, es ist kaum zu bremsen. Und nichts spricht dagegen, dass auch Deutschland betroffen sein wird."

Auch Klaus Stark vom Robert-Koch-Institut in Berlin schließt das nicht aus. Allerdings scheinen die Bedingungen für eine massive Virusausbreitung in Deutschland im Unterschied zu den USA, wo in den vergangenen Jahren Hunderte Menschen an dem Virus gestorben sind, bisher nicht gegeben zu sein. "Infektionen von Menschen kennen wir zum Beispiel auch aus Italien oder Portugal, aber das waren immer kleinere Ausbrüche oder Einzelfälle", so Stark. "Und der Erreger dürfte über Zugvögel in der Vergangenheit auch vereinzelt schon nach Deutschland eingeschleppt worden sein." Passiert ist bislang jedoch nichts.

"Das Virus wird sich nach Norden ausbreiten"

Gerade die Erfahrungen aus den USA deuten darauf hin, wie wichtig die regionalen Bedingungen gerade bei den Vögeln zu sein scheinen, die ein sogenanntes Erregerreservoir für die Vermehrung der Viren darstellen. In Nordamerika konnte sich das Virus mit rasanter Geschwindigkeit ausbreiten. Erst 1999 wurde das West-Nil-Virus in New York identifiziert, nachdem im Cenral Park Vögel tot von den Bäumen gefallen waren. Sieben Tote meldeten die Behörden bald darauf. Eingeschleppt worden war der Erreger vermutlich mit einem Passagierflugzeug aus Israel.

Danach tauchte das Virus in immer mehr Bundesstaaten auf. 2002 und 2003 kam es zu einer Epidemie, die Gesundheitsbehörde CDC zählte in diesem Zeitraum etwa 5800 sehr schwere Krankheitsfälle, etwa 560 Menschen starben. Bis 2007 forderte das Virus jedes Jahr 100 bis 200 Todesopfer. Danach sank die Zahl auf unter 50 - vermutlich weil sich die Amerikaner inzwischen des Risikos bewusst sind und einfache, aber effekte Gegenmaßnahmen gegen die Überträger ergriffen haben. So empfiehlt die Gesundheitsbehörde zum Beispiel dringend den Einsatz von Anti-Mücken-Mitteln, Wasserbehälter im Freien, in denen Mücken ihre Eier ablegen können, sollten abgedeckt sein oder regelmäßig geleert werden.

Einfluss des Klimawandels

Doch die Bedingungen in Europa und in Deutschland ändern sich aufgrund des Klimawandels. Wächst deshalb die Gefahr? Tatsächlich wurde ja einer der Überträger, die Tigermücke, inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen. "Wenn sich klimatische Verhältnisse ändern, dann wächst auch das Risiko der Ausbreitung und Vermehrung der Mücken, die das West-Nil-Virus übertragen", vermutet Stark. Doch gerade die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass der Klimawandel nicht der wichtigste Faktor für die Ausbreitung des Virus zu sein scheint. Darin sind sich die Experten einig.

Wichtiger sind andere Faktoren - etwa, dass der Erreger nicht nur Menschen befällt, sondern auch Tiere. Insbesondere in bestimmten Vogelarten vermehrt sich das Virus besonders gut und kann über weite Strecken verschleppt werden.

Und schwierig ist eine Einschätzung des Risikos einfach deshalb, weil noch viel zu wenig über das Virus und seine Überträger bekannt ist.

Möglicherweise werden wir uns in Zukunft also auch in Deutschland an das Virus, das 1937 zum ersten Mal im West-Nil-Distrikt von Uganda entdeckt wurde, gewöhnen. Immerhin kann man sich mit denselben Vorsichtsmaßnahmen vor den Viren schützen, die auch Griechenland- und Rumänienreisenden jetzt empfohlen werden: Alles einsetzen, was Mücken davon abhält, zuzustechen.

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