Erneuerbare Energien:Sauber wächst langsam

Die Subventionen für fossile Brennstoffe steigen noch immer, während die Investitionen in erneuerbare Energien kaum noch steigen.

Von Marlene Weiss

Erneuerbare Energien haben im Jahr 2018 mehr als 26 Prozent zur globalen Stromproduktion beigetragen. Damit setzt sich das Wachstum der klimafreundlichen Energien zwar fort, doch noch immer verläuft der Übergang zu sauberer Energie nicht schnell genug, um mit dem Paris-Abkommen in Einklang zu sein. Den Grund dafür sieht ein aktueller Bericht des Erneuerbaren-Netzwerks Ren21 vor allem in falschen politischen Rahmenbedingungen und den immer noch enormen Subventionen für fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas.

An der Ren21-Initiative, die im Jahr 2004 aus einer internationalen Erneuerbaren-Konferenz hervorgegangen ist und unter anderem vom UN-Umweltprogramm Unep unterstützt wird, sind zahlreiche Experten beteiligt. Koordiniert wird sie von einem Komitee aus 50 Vertretern von Industrie, NGOs, Regierungen und Wissenschaft. Einmal jährlich veröffentlicht das Netzwerk einen Bericht zum globalen Status erneuerbarer Energien.

In diesem Jahr ist das Fazit dieses Reports gemischt. "Es sind gute Neuigkeiten, aber es ist nicht perfekt", sagt Rana Adib, Generalsekretärin von Ren21. Auf der positiven Seite sieht sie etwa die weiterhin robusten Investitionen in saubere Energien: Auch wenn die investierte Summe von 326 Milliarden US-Dollar auf 289 Milliarden zurückging, wurde das vierte Jahr in Folge bei erneuerbaren Energien deutlich mehr Stromerzeugungs-Kapazität installiert als bei Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Die gesamte Erneuerbaren-Kapazität legte um fast ein Zehntel zu.

Allein die zusätzlich installierten Solarzellen würden demnach reichen, um ein Viertel des Strombedarfs von Frankreich zu decken. "Erneuerbare sind in der Stromerzeugung oft die billigste Option, sie sind hier, um zu bleiben", sagt Adib. Positiv bewertet sie auch, dass das Wachstum der Öko-Energien nicht mehr nur an einigen wenigen Ländern hängt: Obwohl in China nach jahrelangen Zuwächsen die staatliche Förderung angepasst wurde und deshalb die Investitionen deutlich zurückgingen, legte die Installation weltweit weiter zu. Inzwischen tragen die Öko-Energien zu mehr als einem Viertel zur Stromproduktion bei.

Auch die Befürchtung, dass schwankende Größen wie Wind und Sonne sich nicht ins Netz integrieren lassen, ist eindeutig entkräftet: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Stromerzeugung aus solchen variablen Quellen verzehnfacht. Neun Staaten, darunter Deutschland, Uruguay und Irland, decken mehr als ein Fünftel ihrer Stromerzeugung aus Wind und Sonne; in Dänemark beträgt der Anteil sogar mehr als die Hälfte.

Doch der Bericht enthält auch ein großes Aber: Auf den Strombereich, in dem die Erneuerbaren einigermaßen stetig - wenn auch nicht schnell - zulegen, entfallen nur rund 17 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Viel mehr, nämlich rund die Hälfte der verbrauchten Energie, geht für Heizen und Kühlen drauf. Das verbleibende Drittel entfällt auf den Transportsektor. Und in diesen beiden großen Bereichen passiert noch immer nahezu nichts.

Nur 20 Länder fördern Erneuerbare dort, wo am meisten verbraucht wird

"Das ist sehr besorgniserregend, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit übrig ist", sagt Adib - etwa mit Blick auf das im Paris-Abkommen festgelegte Zwei-Grad-Ziel, für das die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas eigentlich binnen weniger Jahrzehnte aufhören müsste. Zwar sieht sie im Verkehrsbereich durchaus ein Umdenken, immerhin werde der nötige Umbau diskutiert. Aber ähnlich wie in Deutschland, wo trotz aller Debatten der CO₂-Ausstoß des Verkehrs seit 1990 nicht zurückgegangen ist, haben sich die Überlegungen bislang nicht in messbaren Erfolgen niedergeschlagen. Lediglich ein Dreißigstel des Energiebedarfs im Verkehr wird mit den - ohnehin umstrittenen - Bio-Treibstoffen oder mit Ökostrom gedeckt.

Beim Heizen und Kühlen sieht es auf den ersten Blick besser aus, aber das täuscht: Zwar stammt knapp ein Viertel der verbrauchten Energie aus prinzipiell erneuerbaren Quellen, aber mehr als die Hälfte davon entfällt auf traditionelle Holz- oder Dungfeuer, die in Entwicklungsländern genutzt werden. Längst nicht überall wächst im gleichen Maße Wald nach. Nur etwa ein Zehntel der Wärme- und Kälteerzeugung stammt aus modernen erneuerbaren Quellen wie der Geothermie.

Als Grund für die Stagnation sehen die Autoren Versäumnisse in der Politik. So ergriffen 135 Länder Maßnahmen zur Förderung von Solar-, Wind- oder Wasserstrom, aber nur 70 Staaten fördern Erneuerbare im Verkehr. Und mit 20 Ländern ist nur eine Minderheit auf die Idee gekommen, den Einsatz von Erneuerbaren dort zu fördern, wo am meisten verbraucht wird - beim Heizen und Kühlen.

Hinzu kommt: Im Jahr 2017 flossen 300 Milliarden US-Dollar in Subventionen für fossile Brennstoffe, etwa für verbilligtes Benzin. Das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr und ungefähr doppelt so viel wie die Summe, mit der erneuerbare Stromerzeugung gefördert wird. Dabei sind diese Subventionen nur ein kleiner Teil der realen Kosten: Mindestens 5,2 Billionen US-Dollar kommen Schätzungen zufolge zusammen, wenn man auch die externen Kosten der fossilen Brennstoffe einrechnet - also etwa Kosten durch Luftverschmutzung. Sie werden nicht den Verursachern, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet.

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