Erneuerbare Energie:Windstrom aus dem Bergwerk

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Wetterbedingte Stromschwankungen aus Windkraft- und Solaranlagen sind ein großes Problem. Forscher hoffen, dass ehemalige Minen sich als Zwischenspeicher für die Energie eignen.

Andrea Hoferichter

Der Hotzenwald im Südschwarzwald steht zurzeit vielleicht etwas im Schatten der Landeshauptstadt Stuttgart, aber auch hier demonstrieren Bürger und Naturschützer gegen ein großes Infrastrukturprojekt.

Die Generatoren des Pumpspeicherkraftwerkes im erzgebirgischen Markersbach liegen rund 120 Meter unter der Erdoberfläche. Solche Kraftwerke benötigen Stauseen, für die häufig Natur zerstört werden muss. Niedersächsische Wissenschaftler wollen solche Anlagen inklusive Speicher in stillgelegten Bergwerken bauen - ohne größere Eingriffe in die Natur darüber. (Foto: picture-alliance/ ZB)

Ihr Protest richtet sich gegen Neubaupläne für ein Pumpspeicherkraftwerk. Auf einer Fläche von 100 Hektar wollen die Planer dort zum Ärger der Kritiker Bäume roden und seltenen Tierarten Lebensraum nehmen, indem sie in der Berglandschaft zwei künstlichen Seen anlegen.

Trotz der zerstörten Natur ist das Projekt im Grunde ökologisch wertvoll, denn solche Speicherwerke spielen eine wichtige Rolle beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Sie können wetterbedingte Stromschwankungen aus Windparks und Solaranlagen abpuffern. Ihr Haken: Sie brauchen eine Menge Platz.

"In Deutschland gibt es kaum noch durchsetzbare Standorte für den Bau von Pumpspeicherwerken", sagt Marko Schmidt vom Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) in Goslar im Harz. Mit seinen Kollegen will er jetzt einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden haben. Er verlegt die mächtigen Pumpspeicherkraftwerke unter die Erde. "Die Speicher können in stillgelegten Bergwerken gebaut werden, ohne größere Eingriffe in die Natur darüber", ist der Wirtschaftsingenieur überzeugt.

In einem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt haben die Wissenschaftler gemeinsam mit Kollegen von der Technischen Universität Clausthal gut zwei Dutzend deutsche Bergbauregionen auf ihre Eignung als Speicherstandort geprüft. Die Arbeit in Archiven und Gespräche mit ehemaligen Bergleuten führten sie zu 100 geeigneten Bergwerken. Die meisten davon liegen im Harz, Erzgebirge, Siegerland und im Lahn-Dill-Gebiet. "Hier sind die Bedingungen ideal, denn das Gestein ist besonders standfest und die Einstiegsschächte sind fast kilometertief", berichtet Schmidt.

Die Funktionsweise eines Stromspeichers unter Tage wäre im Prinzip die gleiche wie die seines überirdischen Pendants. Dort fördert eine Pumpe, angetrieben von Stromüberschüssen aus dem Netz, Millionen Liter Wasser aus einem meist künstlich angelegten See in ein mehrere hundert Meter höher gelegenes Becken. Wird wieder Strom gebraucht, und ist Elektrizität daher teurer, strömt das Wasser herab und treibt die Turbine eines Stromgenerators an.

"Die erforderlichen Höhenunterschiede von 400 bis 800 Metern, wie es sie in Gebirgsregionen gibt, sind auch in den Bergwerken vorhanden", sagt Schmidt. Doch statt Betonbecken wie im Über-Tage-Fall wollen die Harzer Forscher auf zwei Ebenen großflächig vernetzte Rohrsysteme anlegen. Nur so bleibt das Bergwerk stabil.

Solche Anlagen bieten die Möglichkeit, Strom preiswert zu speichern. "Pumpspeicher sind ein rentables Geschäftsmodell", sagt Carsten Pape vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). "Mit ihrer Hilfe lässt sich billig eingekaufter Strom teuer verkaufen."

Das ist nicht nur gut für den Betreiber, sondern für alle Stromkunden, wenn die Energie mehr und mehr aus erneuerbaren Quellen stammt. Um das Stromnetz stabil zu halten, ist dann mehr kurzzeitig verfügbare, sogenannte Regelenergie nötig als früher, weil die Leistung von Windparks und Solaranlagen mit dem Wetter schwankt.

Deswegen produzieren sie mal zu wenig, oft aber auch zu viel Strom für den momentanen Verbrauch. Beides kann zu Frequenzschwankungen in den Netzen und im Extremfall zum Blackout führen. "Pumpspeicherkraftwerke sind besonders gut geeignet, um kurzfristige Fluktuationen bis in den Stundenbereich auszugleichen", sagt Pape.

Würden alle Bergwerke, die die EFZN-Forscher als geeignet ansehen, zu Speicherwerken umgebaut, könnten sie etwa 20 Gigawattstunden aufnehmen. Diese Energiemenge erzeugen zehn Kernkraftwerke oder gut ein Drittel der heute installierten deutschen Windenergieanlagen in jeweils zwei Stunden. Mit dieser Menge wäre der Energiewirtschaft durchaus gedient: Die Speicher könnten etwa zwei Drittel der Leistungsüberschüsse abpuffern, die Forscher der Deutschen Energieagentur für das Jahr 2015 und den "worst case" erwarten - eine Winternacht mit starkem Wind und wenig Strombedarf.

Zurzeit gibt es in Deutschland gut 30 Pumpspeicherkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 40 Gigawattstunden, die dann auf 60 steigen könnte. Laut Pape ist das allerdings nur ein Bruchteil dessen, was allein überirdisch in manchen Alpenländern oder Norwegen möglich ist. "Hier sollen Speicher im Terawattstundenbereich entstehen", sagt er, also mit mindestens hundertfacher Kapazität.

An den Kosten sollte der Stromspeicherbau unter Tage nicht scheitern, rechnet der Projektkoordinator Schmidt vor: "Das wird nicht wesentlich teurer, als ein konventionelles Speicherwerk am Berghang zu bauen." Und weil die Natur weitgehend unbeschädigt bleibt, dürften Forderungen nach millionenschweren Ausgleichszahlungen ausbleiben.

Den Prüfungen zur Umweltverträglichkeit sieht der Wissenschaftler jedenfalls gelassen entgegen. So lässt sich der Aushub für die Röhrensysteme wahrscheinlich als Baustoff oder zur Sanierung von alten Abraumhalden verwenden.

Und für schützenswerte Tierarten wie Fledermäuse könnten sogar neue Lebensräume entstehen, denn zurzeit sind die meisten Gruben mit Beton verschlossen. Das Wasser allerdings, zumindest wenn es aus unterirdischen Lagern stammt, müsste aufbereitet werden, weil es durch Schwermetalle aus dem Gestein belastet sein kann. Die Kosten dafür haben die Wissenschaftler einkalkuliert. Die größte Hürde ist das Genehmigungsverfahren: "Wir betreten da juristisches Neuland", sagt Schmidt. Zurzeit sei noch nicht einmal geklärt, ob solche Projekte unter Berg- oder Baurecht fallen.

Sind alle Hürden erst genommen, muss das EFZN-Konzept nicht einmal auf ehemalige Minen beschränkt bleiben. Die Speicherwerke lassen sich prinzipiell auch abseits der Bergbaugebiete unter die Erde bringen, vorausgesetzt die Geologie stimmt. Heute würde Schmidt allerdings darauf verzichten, denn der Eingriff in unberührte Erdschichten könnte Proteste provozieren. Für den Speicherbau in aufgegebenen Bergwerken spricht seiner Meinung nach vor allem eines: "Hier ist das Loch schon in der Erde."

© SZ vom 03.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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