Gerade mal zwei Prozentpunkte mehr innerhalb eines Jahrzehnts: So sieht laut einem neuen Bericht die Bilanz der globalen Energiewende aus. Während im Jahr 2009 erneuerbare Quellen wie Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft 10,6 Prozent des weltweiten Energiebedarfs deckten, war der Wert 2020 auf 12,6 Prozent gestiegen. Der Anteil fossiler Energieträger beträgt hingegen fast unverändert an die 80 Prozent. Der Bericht "sendet eine deutliche Warnung, dass die Energiewende nicht stattfindet", erklärte der Thinktank REN21, der die Studie erarbeitet hat. Damit werde es zunehmend unwahrscheinlich, dass die Welt kritische Klimaziele in diesem Jahrzehnt erreicht.
Dabei sehen die Zahlen im "Renewables 2022 Global Status Report" auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. So wurden allein im vergangenen Jahr erneuerbare Energien mit einer Leistung von 314 Gigawatt ans Netz angeschlossen, ein neuer Rekord in absoluten Zahlen. Erstmals lieferten Windräder und Solaranlagen mehr als zehn Prozent des weltweiten Strombedarfs. Allerdings reichte der Zubau zuletzt nicht aus, um mit dem ebenfalls wachsenden Energiehunger Schritt zu halten.
Die steigende Nachfrage seit dem Einbruch infolge der Corona-Pandemie sei hauptsächlich mit fossilen Energien bedient worden, so die Autoren des Berichts. Eine historische Chance sei damit vertan worden. "Die Realität sieht so aus, dass viele Länder als Reaktion auf die Krise wieder neue Quellen für fossile Brennstoffe erschließen und mehr Kohle, Gas und Öl verbrennen", sagte REN21-Chefin Rana Adib. Tatsächlich kletterten die weltweiten Treibhausgas-Emissionen 2021 auf ein neues Rekordhoch.
Dreimal so schneller Zubau erforderlich
Noch am besten sieht die Situation bei der Elektrizitätsversorgung aus, wo erneuerbare Quellen mittlerweile 28 Prozent beisteuern. Allerdings machen alle Geräte, die Strom verbrauchen, gerade mal 17 Prozent des weltweiten Energiebedarfs aus. Etwa doppelt so viel Energie - meist in Form von Benzin und anderen Kraftstoffen - wird für den Personen- und Güterverkehr benötigt. Hier decken Erneuerbare, in diesem Fall vor allem aus Pflanzen gewonnene Biokraftstoffe, derzeit 3,7 Prozent des Bedarfs. Die mangelnden Fortschritte im Bereich Verkehr seien besonders eklatant, so die Autoren. Die Hälfte der weltweit verbrauchten Energie benötigen Heizungen, Klimaanlagen und industrielle Prozesse - hier lag der Anteil Erneuerbarer zuletzt bei 11 Prozent.
Laut den Forschern müsste der Zubau von CO₂-neutralen Technologien etwa dreimal so schnell verlaufen, um die globalen Klimaziele zu erreichen und den Treibhausgasausstoß bis Mitte des Jahrhunderts auf Null zu senken. Demnach wäre jedes Jahr ein Zubau von 825 Gigawatt nötig, die vor allem aus Photovoltaik und Windkraft stammen.
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Als Gründe für die langsamen Fortschritte nennt der Bericht unter anderem die hohen Subventionen für fossile Energieträger, die derzeit mit 5,6 Billionen Euro pro Jahr staatlich gefördert werden, das entspricht sieben Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts. Gleichzeitig hätten viele Regierungen den Ausbau der erneuerbaren Energien nur halbherzig unterstützt. So strich beispielsweise Indien die finanziellen Hilfen für Erneuerbare zwischen 2017 und 2020 um fast die Hälfte zusammen.
Dennoch halten die Autoren fest, dass mittlerweile mehr Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien fließt als in neue fossile oder atomare Kraftwerke. Außerdem haben sich mittlerweile 1400 große Investitionsgesellschaften dazu bekannt, aus Beteiligungen an fossilen Projekten auszusteigen. Allerdings machen die derzeit spürbaren Preissteigerungen auch vor erneuerbaren Quellen nicht halt. So verteuerten sich die Kosten für Photovoltaik-Module 2021 um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr - nachdem die Preise jahrelang stetig gefallen waren. Nun bedrohen Engpässe bei Materialien wie Polysilikon und unterbrochene Lieferketten auch den Zubau im Bereich Wind und Solar.