Ernährung:Wahnwitzige Verschwendung

Wenn es um den Hunger geht, wird viel über Gentechnik und Biosprit diskutiert.  Wichtiger ist ein anderes Problem: Immer noch werden 30 Prozent aller Lebensmittel weggeworfen.

Von Marlene Weiss

Wenige Tätigkeiten machen so mörderische Rückenschmerzen wie das traditionelle Reispflanzen, wie es bis heute in großen Teilen Asiens verbreitet ist. Man steht knöcheltief im Wasser, um die zartgrünen Schösslinge in den Boden zu setzen. Irgendwann möchte man sich nicht mehr aufrichten, aus Angst, die Wirbelsäule könnte brechen. Man kann nur hoffen, dass die Kleinbauern in Asien, die mit solcher Plackerei ihren Lebensunterhalt verdienen, keine Statistiken lesen: Ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion wird weggeworfen, so steht es in einem neuen Bericht der britischen Organisation Waste and Resources Action Programme (Wrap).

Und das liegt keineswegs nur daran, dass die verwöhnten Verbraucher im Westen keine schrumpeligen Äpfel ertragen oder die Milch im Kühlschrank vergessen. Sondern auch daran, dass viele Produkte in Entwicklungs- und Schwellenländern schon auf dem Weg zu den Verbrauchern vergammeln. In Südostasien gehen laut Zahlen der Welternährungsorganisation FAO zwischen Feld und Esstisch 37 bis 80 Prozent der Reisernte verloren. Auch andere Getreidesorten verschimmeln massenhaft in ungeeigneten Lagern.

Ein Teil der Ernährungsprobleme ließe sich ressourcenschonend beheben

In Indien erreicht fast die Hälfte der Obst- und Gemüseproduktion nie einen Verbraucher, sondern verrottet, weil viele Früchte bei der Ernte beschädigt werden und eine vernünftige Kühlkette fehlt. Man kann ja einiges gegen moderne Supermarkt-Ketten sagen. Aber romantische Systeme von Kleinstlieferanten und Läden ohne Kühltruhe sind reine Lebensmittel-Vernichtungsmaschinen.

Angesichts dieser alltäglichen Tragödie sind viele Diskussionen geradezu absurd. Natürlich darf zum Beispiel der Biosprit-Anbau nicht dazu führen, dass noch mehr Menschen Hunger leiden. Und natürlich darf man sich fragen, ob und in welchem Umfang grüne Gentechnik dazu beitragen kann, die Ernährungsprobleme der Menschheit zu lindern.

Aber ein großer Teil dieser Probleme ließe sich vergleichsweise einfach, billig und ressourcenschonend beheben, indem man schlicht die wahnwitzige Verschwendung reduziert. Und zwar überall auf der Welt: In ärmeren Ländern sind die Verluste bei der Verteilung das größte Problem, in reicheren sind es eher gedankenlose Konsumenten und realitätsferne Standards im Einzelhandel, die nur Obst und Gemüse in 1a-Premium-Form und Farbe in die Regale lassen. So lange die Menschheit auf diese Weise mit Nahrungsmitteln umgeht, wird der Hunger nicht aus der Welt verschwinden.

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