Ernährung:Was am besten gegen Chili-Schärfe hilft

Gewürzhändler Jörg Ceglarek

Eigentlich ist es bizarr, dass Menschen scharfe Chilis essen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Forscher haben untersucht, welche Flüssigkeiten gereizte Geschmacksnerven beruhigen. Milch ist gut geeignet, aber auch andere Getränke wirken neutralisierend.

Von Sebastian Herrmann

Sechs kleine Chilischoten schwammen in der Suppe. Fünf davon ließen sich problemlos essen. Aber die sechste kleine Einlage dieser Tom-Yam-Gung-Suppe, die damals in einem Thailand-Urlaub auf dem Tisch stand, zündete wie eine tödliche Splittergranate und versetzte die Geschmacksrezeptoren in einen Sturm der Entrüstung. Speichel lief unkontrolliert im Mund zusammen, das ganze Gesicht brannte, Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn und liefen hinab in die Augenbrauen, als wollten sie sich dort vor dem Schärfeüberfall verbergen. Der junge thailändische Kellner blickte grinsend auf seinen keuchenden Gast und rief seine Kollegen aus der Küche herbei. Dann zeigte er auf den triefenden, rotgesichtigen Typen an der Suppenschüssel und sagte etwas, worauf die Männer und Frauen in Gelächter ausbrachen: Seht euch den Trottel an!

Die Schärfeattacke war peinlich und dauerte unangenehm lang. Aus heutiger Sicht hätte man damals Haltung bewahren und den Kellner ungerührt um ein Glas Milch bitten sollen. Gerade nämlich haben die Ernährungswissenschaftler John Hayes, Alissa Nolden und Gabrielle Lenart systematisch untersucht, welches Getränk die Schärfe aus Chilischoten am besten lindert. Und wie sie im Fachjournal Physiology & Behaviour schreiben, verdrängt Milch am effektivsten das vom Chili-Inhaltsstoff Capsaicin verursachte Rezeptoren-Massaker. Welchen Fettgehalt die Milch hat, spielt dabei offenbar keine Rolle.

"Es machen sehr viele Geschichten die Runde, welche Getränke am besten gegen die Schärfe durch Capsaicin helfen", schreiben die Autoren, "allerdings fehlen in der Regel Daten, um diese Laientheorien abzusichern." Die drei Ernährungsforscher von der Pennsylvania State University ließen nun für ihre Studie 72 Probanden zunächst geschärften Tomatensaft trinken, der mit Chili versetzt war. Anschließend durften die Teilnehmer des Experiments verschiedene Getränke zu sich nehmen, um den Aufruhr im Mund wieder zu lindern. Dazu ließen die Wissenschaftler Vollmilch, fettarme Milch, einen gezuckerten Fruchtsaft, Coca-Cola, alkoholfreies Bier, Mineralwasser mit Kohlensäure sowie zimmerwarmes stilles Wasser testen.

Welche Substanz wirft sich schützend zwischen Capsaicin und Geschmacksrezeptoren?

"Alle Getränke reduzierten das Brennen im Mund", sagen die Autoren, "aber einige halfen besser als andere." Besser als zimmerwarmes Leitungswasser halfen lediglich Vollmilch, fettarme Milch sowie der gezuckerte Fruchtsaft, wobei Milch gequälten Mündern die beste Abhilfe verschaffte. Zwischen Vollmilch und der fettarmen Variante konnten die Forscher dabei keinen Unterschied feststellen. Das ist insofern interessant, als bisher oft die These vertreten wurde, dass es das Fett in der Milch sei, das sich rettend zwischen Capsaicin und menschliche Geschmacksrezeptoren werfe.

Dem widersprechen nun die aktuellen Ergebnisse, und da sei es "verlockend, darüber zu spekulieren, dass vielmehr ein Protein aus der Milch diesen Job übernimmt", sagen die Ernährungswissenschaftler. Dass süße Säfte Schärfe abmildern können, passt zu bisherigen Vermutungen: Demnach hilft Zucker generell, um Schärfegefühle zu reduzieren. Dass Cola weniger gut tut als süßer Saft, liege vermutlich an der Kohlensäure, so die Forscher.

Milch wäre also das Mittel der Wahl gewesen, damals in Thailand. Aber wahrscheinlich hätte der Kellner dann abermals gelacht: Milch? Hier, weitab vom Schuss, auf dem Land? Der spinnt wirklich, der Tourist!

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