Erfundene Orte:Hier liegt Atlantis

Sagenumwobene Inseln, erfundene Meere, eine quadratische Erde: Was herauskommt, wenn Kartografen erfinderisch werden.

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Nicht einmal Hügel zu sehen

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Quelle: SZ

Sie versperrten Händlern und Reisenden in Afrika den Weg nach Süden, waren gewaltig groß, und selbst Jules Vernes hat sie in einem seiner Werke erwähnt: Die Kong-Berge. Der englische Geograf und Historiker James Rennell zeichnete sie erstmals unter diesem Namen im Jahr 1798 in eine Landkarte ein. Darauf erstreckten sie sich über eine Länge von 800 bis 1000 Kilometern vom Westen Afrikas bis in den Osten, parallel zum 10. Breitengrad.

Insgesamt 40 Erwähnungen der Gebirgskette haben amerikanische Forscher gefunden, der "Africa Atlas" von Aaron Arrowsmith im Jahr 1802 machte sie endgültig bekannt. Namenlos sind die Berge allerdings schon früher auf Karten zu finden, etwa in der "Mappe Monde" von Louis Denis aus dem Jahr 1764. Anlass für Rennell, die mächtigen Gebirge auf einer Karte festzuhalten, war der Bericht des Schotten Mungo Park über seine Reise durch Zentralafrika. In "Travels in the Interior District of Africa berichtete" er davon, in einer bestimmten Gegend Hügel und in weiterer Ferne Gebirge erblickt zu haben. Das überzeugte den erfahrenen Geografen Rennell, zumal er selbst den Ursprung des Niger in den Kong-Bergen vermutete und glaubte, dass der Fluss an den Bergen entlang fließe.

Erst als der französische Offizier Louis-Gustave Binger im Jahr 1888 vom Oberlauf des Nigers bis zur Hauptstadt des Königreichs Kong (heute in der Republik Elfenbeinküste) reiste, kam die Wahrheit heraus: Die Berge existierten gar nicht. Seinem verblüfften Publikum in der Pariser Société de Géographie erklärte Binger: "Am Horizont war nicht einmal ein Hügel zu sehen." Bis zu diesem Tag hatten die Kong-Berge fast ein Jahrhundert lang auf vielen Landkarten Afrikas existiert.

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Expedition zu einem Meer, das es nicht gibt

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Quelle: SZ

Eigentlich erschien es ganz logisch: In Amerika fließt der Mississippi und der Amazonas, in Asien der Ganges und der Mekong, in Afrika gar der Nil als längstes fließendes Gewässer überhaupt. Warum also sollte Australien keinen gewaltigen Strom bergen? Das dachte einst auch Thomas J. Maslen, ehemaliger Offizier bei der East India Company. Und legte in seinem Buch "The Friend of Australia" eine Landkarte vor, die ein gewaltiges, bis dahin unentdecktes Flussnetz zeigte.

Maslen spekulierte also, dass auf die Siedler Australiens ein wasserreiches, fruchtbares Land im Innern des Kontinents wartete. Auch wenn Australien zu jener Zeit vor allem als Strafkolonie dienen sollte, wollten manche Siedler es weiter erschließen. Und Maslen gab in seinem Buch Ratschläge, wie sie dabei am besten vorgehen sollten. Er ging in seinen Ausführungen davon aus, dass ein riesiger Fluss den Kontinent in zwei Hälften teilte, in "Australindia" und "Anglicana". Er glaubte zudem, dass sich parallel zur Westküste eine Reihe von zehn Hügelketten fand, hinter denen sich das Wasser der gewaltigen Flüsse in einem Binnensee sammelte.

Im Jahr 1827 und 1829 machten sich Forscher auf, den Verläufen bereits bekannter Flüsse zu folgen, sie fanden jedoch keine Spur von einem Binnenmeer. Nur den flachen See Alexandrina, am Indischen Ozean, in dem nach Ansicht der Ureinwohner das Ungeheuer Muldjewangk wohnt.

Erst Jahrzehnte später hatte sich endlich herumgesprochen, was im Innern des Kontinents auf die Menschen wartete: Ödnis und Dürre. Als "totes Herz von Australien" bezeichneten die Siedler dann die Landschaft, so ganz ohne Flüsse und Binnenmeer.

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Der Traum vom Gold

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Auf einer Insel sollte sie liegen, inmitten eines Sees in den Anden Chiles. Die sagenumwobene Stadt der Cesaren, ciudad de los césares, sollte von immensem Reichtum sein, Entdecker kehrten angeblich mit Gold, Silber und exotischen Stoffen beladen in die Alte Welt zurück. Über mehrere Jahrhunderte hinweg hielt sich die Legende über jenen Ort, der Schatzsucher von Ruhm und Wohlstand träumen ließ.

Alles begann vermutlich mit Sebastiano Caboto, der im Auftrag der spanischen Krone im Jahr 1526 mit vier Schiffen und 200 Mann aufbrach, um Siedler auf die Molluken zu bringen, eine Inselgruppe des heutigen Indonesiens. Caboto jedoch änderte seine Reisepläne, machte sich auf zum Río de la Plata. Und schickte einen seiner Kapitäne, Francisco César, ins Innere des damals noch unerschlossenen Patagoniens, um nach den sagenhaften Schätzen zu suchen, von denen Caboto auf seiner Reise gehört hatte. Von den insgesamt drei Stoßtrupps kehrte nur jener von César angeführte zurück. Und erzählte von einer Stadt voller Reichtümer. Denkbar ist, dass César damals auf einen Außenposten des damals noch unbekannten Inka-Reiches stieß, was jedoch als unwahrscheinlich gilt.

Der Kapitän schloss sich dem Entdecker Pedro de Heredia an, der damals Kolumbien eroberte, seine Geschichte von der Goldstadt aber erhielt seither ständig neue Nahrung, weil auf den Expeditionen nach Patagonien auch in den folgenden Jahren immer wieder Männer spurlos verschwanden. Selbst der Vizekönig von Peru ließ sich von den Erzählungen beeindrucken und schickte mehrere Expeditionen ins heutige Chile - vergeblich. Noch im Jahr 1764 erschien in London ein zunächst anonymes Buch mit Briefen über das legendäre Volk der Cesaren. Ein schottischer Schriftsteller hatte sie frei erfunden.

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Mitten im Atlantik

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Es gibt Geschichten, die sind so gut, dass sie nie vergessen werden. Und irgendwann berichten sogar die Kartografen von ihnen, so wie hier der deutsche Jesuit und Universalgelehrte Athanasius Kircher in seinem Werk "Mundus Subterraneus" aus dem Jahre 1665. Die Karte zeigt die sagenhafte Insel Atlantis, die angeblich mitten im Atlantik gelegen hat.

Der griechische Philosoph Platon hatte sie gegen Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts in seinen Dialogen "Timaios" und "Kritias" zum ersten Mal detailliert beschrieben, als Sitz einer großen Seemacht - "größer als Libyen und Asien zusammen", "jenseits der Säulen Herakles" -, die einst die damals bekannte Welt dominiert hatte, bis sie vor 9600 Jahren Athen unterlag. Daraufhin sei die Insel innerhalb eines Tages und einer Nacht untergegangen, als Folge von Erdbeben und Überschwemmungen.

Platon verfolgte wohl mit seiner Geschichte pädagogische Ziele; er wollte verdeutlichen, wieso ein einst in Athen existierender Idealstaat selbst mächtige Tyranneien bezwingen kann. Womöglich wollte der Philosoph auch vor einer Expansionspolitik seines Heimatstaates warnen.

Doch seitdem streiten mehr oder wenige seriöse Autoren, ob hinter dem Mythos von Atlantis nicht wahre Begebenheiten stecken könnten, etwa der große Vulkanausbruch auf Santorin (1613 v. Chr.) oder die Überflutung des Schwarzmeerbeckens im Jahre 5600 v. Chr. Gerade der angebliche Untergang des mysteriösen Inselreiches erlaubt jede Menge Spekulation. So gab es früher Wissenschaftler, die Atlantis auf den Kanarischen Inseln, Kreta oder sogar auf Helgoland verorteten. Heute vertritt der Zürcher Geoarchäologe Eberhard Zangger die Theorie, dass sich hinter Atlantis das antike Troja verberge.

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Quadratisch, praktisch, gut

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Ja, klar, die Erde ist flach und fest verankert, das weiß jeder, steht doch an mehreren Stellen in der Bibel. Leider glauben aber immer noch viele Menschen, dass diese Scheibe rund sei! Da haben sie einfach ihr Neues Testament nicht genau genug gelesen, lässt sich nachschlagen in der Offenbarung des Johannes (7:1): "Und darnach sah ich vier Engel stehen auf den vier Ecken der Erde." Noch Fragen?

Offenbar gibt es immer noch ein paar Anhänger der Quadratheorie der Erde, zumindest betreiben sie die Homepage der International Square Earth Society, wo sich der besagte Bibelspruch findet. Fest überzeugt davon waren jedenfalls Professor Orlando Ferguson aus Hot Springs, South Dakota. Er entwarf 1893 die oben stehende Weltkarte gemäß Johannes-Evangelium, die logischerweise ohne Südpol auskommen muss. Aber wer braucht auch schon zwei Pole auf einer Welt.

Auf besagter Webseite finden sich auch gute Argumente gegen mögliche Einwände zur Quadraterde. Die Bilder aus dem Weltall, die die Erde als blaue Kugel zeigen? Die ganze Nasa ist doch eine Tarnorganisation Hollywoods, das bekanntlich mit dem Teufel im Bunde ist. Und wieso haben Flugzeugpiloten nie von den vier Ecken der Welt berichtet? Ganz einfach, weil wahre Gläubige nie an den Steuerknüppel einer Maschine dürfen. Auch Piloten sind Gefolgsleute des Teufels. Wenn sie das Ende der Welt erreichen, machen sie immer eine scharfe 90-Grad-Kurve und sprechen von Turbulenzen. Kennt doch jeder.

Außerdem: Professor Ferguson hat es doch auf der rechten Seite seiner Karte eingezeichnet. Wenn der Globus tatsächlich mit 65 000 Meilen pro Stunde um die Sonne rasen würde, dann würden doch alle Menschen davon fliegen. Das ist ja nun wirklich absurd.

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Auf der Suche nach dem irdischen Paradies (1)

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Leider sind die geografischen Angaben in der Bibel etwas ungenau, aber eigentlich wollten die Menschen schon immer ganz gerne wissen, wo er denn liegt oder gelegen hat, der Garten Eden, das Paradies. "Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da an in vier Hauptarme", heißt es in der Genesis. Deren Namen seien Pischon, Gihon, Tigris und Euphrat. Zumindest die beiden letzten kennt man noch heute, und so verorteten die Gelehrten das Paradies lange Zeit im Zweistromland, dort wo heute der Irak liegt.

Und so wird der Garten Eden auch in der gegen 1700 entstandenen Karte des niederländischen Kupferstechers Romeyn de Hooghe (oben) vom Euphrat durchflossen. In der aus der gleichen Zeit stammenden "Lagekarte des irdischen Paradieses und des von Patriarchen bewohnten Landes zum Verständnis der Heiligen Schrift" von Pieter Mortier sind auch der Pischon und der Gihon eingezeichnet, obwohl sich die Wissenschaft bis heute nicht einigen kann, welche Flüsse wohl gemeint waren. Wer ganz genau hinschaut, kann übrigens am rechten Rand von Mortiers Eden Adam und Eva entdecken, die gerade vermutlich von einem Cherub verjagt werden. Womit wir bei einem Problem wären, das bereits im Mittelalter diskutiert wurde: Hat das irdische Paradies überhaupt den Sündenfall überstanden?

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Auf der Suche nach dem irdischen Paradies (2)

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So meinte Martin Luther, spätestens die Sintflut hätte das Paradies zerstört. Sein Zeitgenosse Johannes Calvin hingegen hielt es für möglich, dass kleinere Teile noch erhalten wären; er verortete sie ebenfalls in Mesopotamien. Dummerweise wurde der Garten Eden nie gefunden, auch nicht von den großen Forschungsreisenden, die sich am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit aufmachten, die Örtlichkeiten zu erkunden. So wurde der vermeintliche Ort des Paradieses immer weiter verschoben, sogar in den neu entdeckten Gebieten am Äquator wurde es vermutet. Doch mit dem Fortschritt der Kartografie, dem neuen System der Breiten- und Längengrade schwanden die weißen Flecken auf den Landkarten, wo die Zeichner den biblischen Ort hätten platzieren können. Handlungsreisende und Kriegsherren brauchten geografisch exakte Karten, da war kein Platz mehr für religiöse Symbolbilder.

Es bleibt die profane Lösung, dass man die Geschichte vom Garten Eden als mythisch überhöhten Bericht von der Erfindung des Ackerbaus interpretiert. Tatsächlich konnten Genetiker den Nachweis führen, dass das Getreide auch irgendwo in der Region des fruchtbaren Halbmondes, womöglich im Osten der Türkei erstmals domestiziert wurde.

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Das Gegengewicht

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Marco Polo hatte in seinem 1299 verfassten Reisebericht eigentlich nur bestätigt, was die Gelehrten seit Aristoteles ohnehin schon wussten. In der südlichen Hemisphäre müsse es ein Gegengewicht zu den bekannten Landmassen im Norden geben: die Terra Australis Incognita - das unbekannte Land des Südens. Der große Reisende verortete diesen neuen Kontinent in unmittelbarer Nähe von Sumatra, das er allerdings für Java hielt. Daher der Name Java la Grande. Noch 1543 zeichnete der bretonische Kartenmacher Guillaume Brouscon dieses Land auf seiner Weltkarte ein - mit einer Nordspitze größer als Afrika. Existiert hat Java la Grande nie, es sei denn man hält es für Australien, das aber einige Tausend Kilometer südlicher liegt.

Alle Karten stammen aus: Eward Brooke-Hitching: Atlas der erfundenen Orte. dtv, 256 Seiten, 30 €.

© SZ.de/chrb
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