Erdkern:1000 Grad heißer als gedacht

Die Temperatur im Erdkern beträgt vermutlich 6000 Grad Celsius

Die unterschiedlichen inneren Schichten der Erde und ihre Temperaturen. Geologen unterscheiden die Erdkruste, den äußeren und inneren Mantel (braun bis rot) und den äußeren flüssigen (orange) Kern und inneren festen Kern (rot) aus Eisen. An der Grenze zwischen festem und flüssigem Kern herrscht ein Druck von 3,3 Millionen Atmosphären.

(Foto: ESRF)

Der Erdkern besteht aus heißem, flüssigen Eisen. Doch welche Temperaturen herrschen dort tatsächlich? Und wie misst man sie - in einer Tiefe von 6350 Kilometer?

Von Patrick Illinger

Es ist schon erstaunlich: Da fliegen Astronauten in den Orbit, Roboter auf den Mars und Sonden bis an den Rand des Sonnensystems, doch ein viel näher liegender Himmelskörper gibt noch immer große Rätsel auf - der Planet unter unseren Füßen. Wie sieht die Erde eigentlich aus, tief in ihrem Inneren?

Viel Eisen soll es dort geben, heißes, flüssiges Eisen, das ein starkes Magnetfeld erzeugt. Doch wie heiß ist es genau? Und wie strömt das Eisen durch den Erdkern? Hierzu liefert die Forschung überraschende Erkenntnisse. So berichten französische Geophysiker in der aktuellen Ausgabe von Science (Bd. 340, S. 464, 2013), im tiefsten Inneren sei die Erde 6000 Grad heiß. Das wären 1000 Grad mehr als bisher angenommen wurde.

Doch wie kommt man auf solche Werte, schließlich lässt sich kein Thermometer 6350 Kilometer tief bis zum Mittelpunkt der Erde hinablassen? Die Zustände dort lassen sich nur indirekt messen. So zeichnen Geologen seit vielen Jahren Druckwellen auf, die von Erdbeben oder Vulkanen quer durch das Erdinnere schießen. Die Muster dieser Wellen, die sich wie Klopfsignale an einem Heizungsrohr ausbreiten, liefern Hinweise darauf, welcher Druck in welcher Tiefe unter der Erdoberfläche herrscht.

Dabei hat sich gezeigt: Der Erdkern unterhalb des Erdmantels besteht im Wesentlichen aus einer Kugel von flüssigem Eisen. Das Metall ist dort mehr als 4000 Grad heiß, und der Druck ist 1,3 Millionen Mal so hoch wie der Atmosphärendruck auf der Erdoberfläche. Unter diesen Bedingungen ist Eisen flüssig wie Meerwasser.

Doch eingebettet in diesen flüssigen, brodelnden äußeren Kern ist eine noch heißere und noch stärker unter Druck stehende Kugel aus festem Eisen. Dieser innere Erdkern wirkt wie ein kugelförmiger Ofen, der das umgebende flüssige Eisen des äußeren Erdkerns in Wallung versetzt, was wiederum das Magnetfeld erzeugt. Um die Dynamik zu verstehen, ist es wichtig, die Druck- und Temperaturunterschiede zwischen innerem und äußerem Erdkern zu kennen. Während sich der Druck mit seismischen Messungen abschätzen lässt, können Physiker und Geologen die Temperaturverhältnisse im Erdkern nur im Labor nachstellen.

Forscher am Europäischen Synchrotron ESRF in Grenoble haben dafür Eisenkörnchen mit Laserstrahlen in einer Diamantpresse auf mehrere Millionen Atmosphären zusammengequetscht und dabei auf fast 5000 Grad erhitzt. Solche Versuche sind extrem aufwendig, und die winzige Eisenprobe lässt sich nur wenige Sekunden unter diesen Bedingungen halten, sodass kaum feststellbar ist, ob das Metall flüssig oder fest ist. Mit Röntgenstrahlen haben die französischen Forscher daher die Eisenprobe durchleuchtet.

Aus diesen Messungen schließen die Experten nun, dass Eisen im Grenzbereich zwischen festem inneren und flüssigem äußeren Erdkern bei einem Druck von rund 3,3 Millionen Atmosphären etwa 6000 Grad Celsius heiß sein muss. Max-Planck-Forscher hatten bei ähnlichen Experimenten vor 20 Jahren eine 1000 Grad niedrigere Grenztemperatur ermittelt. Damals wurde die Eisenprobe mit optischen Instrumenten beobachtet und nicht mit Röntgenstrahlen, weshalb Veränderungen auf der Metalloberfläche womöglich den falschen Eindruck einer Verflüssigung suggeriert hatten.

Allerdings wurden in Grenoble nur 4800 Grad Hitze erreicht, das Verhalten von Eisen bei noch höheren Temperaturen konnte nur geschätzt werden. Theoretisch möglich ist also, dass Eisen bei extremen Druck- und Temperaturverhältnissen atypisch reagiert und unerwartet zwischen fest und gasförmig wechselt. Sicher ist indes: Die von Jules Verne erträumte Reise ins Erdinnere wäre eine unerträglich heiße Angelegenheit.

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