Süddeutsche Zeitung

Erderwärmung:Mit Gott gegen Klimaskepsis

Katharine Hayhoe ist Klimaforscherin und evangelikale Christin. Sie gehört damit einer Glaubensrichtung an, die auch den Kern der US-Klimaskeptiker bildet - und sieht darin keinen Widerspruch.

"Extreme Soziopathin", "Serien-Lügnerin", "Klimamieze": Katharine Hayhoe wird im Netz und in E-Mails oft beschimpft, und das sind noch die harmloseren Schmähungen. Die kanadische Klimaforscherin bekommt aber auch viel Zuspruch von denen, die ihr dankbar sind für ihre Arbeit. Kürzlich wählte das US-Magazin Fortune sie unter die 50 wichtigsten globalen Führungspersönlichkeiten, noch im vergangenen Herbst - ist das wirklich erst ein halbes Jahr her? - diskutierte sie im Garten des Weißen Hauses mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama und dem in der Ökologie-Bewegung engagierten Hollywood-Star Leonardo DiCaprio. Wer Katharine Hayhoe als Vortragsrednerin buchen will, muss sich auf eine monatelange Wartezeit einstellen.

Entsprechend freudig überrascht war SZ-Autor Christopher Schrader, als er Hayhoe auf der Jahreskonferenz der US-Wissenschaftsorganisation AAAS in Boston traf - ursprünglich hatte sie nicht auf der Rednerliste gestanden. Ob sie ihm ein Interview geben würde? Das wollte Hayhoe gern, allerdings erst, nachdem sie ausführlich die Fragen einer Gruppe von Doktorandinnen beantwortet hatte.

Was Hayhoe auszeichnet, sind nicht zuerst ihre naturwissenschaftlichen Forschungsarbeiten über Klimamodelle, Regenfälle oder Grundwasser-Ressourcen. Sondern die Tatsache, dass die Klimaforscherin der Texas Tech University evangelikale Christin ist - und damit einer Glaubensrichtung angehört, die auch den Kern der Klima-Skeptiker in den USA bildet. In kaum einer Gruppe ist der Rückhalt für US-Präsident Donald Trump und seine extreme Verweigerungshaltung zum Klimawandel größer; viele Evangelikale sind fest überzeugt, dass die globale Erwärmung nichts anderes ist als eine üble, linke Verschwörung. Wie kann man diese Menschen erreichen?

Jedenfalls nicht mit immer noch mehr Fakten, glaubt Katharine Hayhoe, die machen im Zweifel alles noch schlimmer. "Stellen Sie sich mal die Situation für 25 Prozent der strenggläubigen Amerikaner vor", sagt sie im SZ-Interview. "Menschen, denen sie vertrauen, haben ihnen gesagt, es gäbe gar keinen Klimawandel. (...) Die wissenschaftlichen Ergebnisse abzulehnen, ist Teil ihrer Identität geworden. Da muss man sie irgendwie rausholen." Und wie? Indem man auf gemeinsame Werte Bezug nimmt - egal, ob es die Sorge um Arbeitsplätze, Liebe zur Jagd oder Gesundheit und Familie sind. In einer Serie von YouTube-Videos unter dem Titel "Global Weirding" spricht Hayhoe auf diese Weise über den Klimawandel. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem evangelikalen Pastor, hat sie auch ein Buch über den Klimawandel geschrieben, das sich speziell an Gläubige richtet.

Harsche Kritik hat Hayhoe allerdings auch schon von Forscherkollegen bekommen, die nicht nachvollziehen können, wie sie ihre wissenschaftliche Arbeit mit einem streng ausgelegten Glauben vereinbaren kann. Hayhoe selbst sieht da kein Problem. "Die Naturgesetze gelten ja nur unter der Annahme, dass es keine übernatürlichen Faktoren gibt", sagt sie. "Gott verletzt sie also nicht, indem er ein Wunder bewirkt."

So ein kleines Wunder, das könnte die Welt inzwischen ganz gut gebrauchen.

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