Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Erderhitzung treibt antarktische Ozeanströmung an

Die globale Erwärmung beschleunigt laut neuen Messungen den Zirkumpolarstrom rund um den Südpol. Das könnte weitreichende Folgen für das Klima haben.

Von Simone Humml (dpa)

Die Erderhitzung beschleunigt einem Forscherteam zufolge die große Ozeanströmung um die Antarktis. Grund für die Beschleunigung des sogenannten Zirkumpolarstromes sei, dass große Ozeanbereiche einen erheblichen Teil der vom Menschen verursachten Wärme aufnehmen, schreiben die Forscher um Jia-Rui Shi von der Scripps Institution of Oceanography im kalifornischen La Jolla im Fachblatt Nature Climate Change. Die Entwicklung dieses Stroms haben die Forscher mithilfe von Satellitendaten und Treibbojen des Argo-Programms analysiert. Diese sind in allen Weltmeeren verteilt und können bis in 2000 Meter Tiefe absinken und dann wieder aufsteigen.

Die Ozeane haben nach Angaben des Weltklimarats IPCC bislang mehr als 90 Prozent der beim menschengemachten Klimawandel entstandenen zusätzlichen Wärme aufgenommen. Das puffert die Erderhitzung ab. Doch das Wasser wird dadurch wärmer und dehnt sich aus, was zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt. Zudem stecken in den Ozeanen laut IPCC 20 bis 30 Prozent des vom Menschen produzierten Kohlendioxids, was ihr Wasser saurer macht.

Das Wasser nördlich des Stroms hat besonders viel Wärme aufgenommen

Der Zirkumpolarstrom fließt stets nach Osten um den südlichen Kontinent herum und verbindet so Atlantik, Pazifik und den Indischen Ozean. Er gilt als globales Förderband, das den Wärmetransport und die Stoffkreisläufe in allen Ozeanen beeinflusst. Das Wasser nördlich des Stromes habe vergleichsweise mehr vom Menschen verursachte Wärme aufgenommen und sich stärker erwärmt als das Wasser des Stromes selbst und das südlich von ihm, schreiben die Forscher. Daher sei die Temperaturdifferenz am Zirkumpolarstrom angestiegen - ein Faktor, der bei Ozeanströmungen stets zur Beschleunigung führe. Insbesondere der nördliche Bereich des Stroms habe sich beschleunigt.

"Der Zirkumpolarstrom wird vor allem vom Wind angetrieben, doch wir haben gezeigt, dass die Geschwindigkeitsänderung überraschenderweise vor allem durch die Änderung im Temperaturgradienten geschieht", sagt Co-Autorin Lynne Talley, ebenfalls von der Scripps Institution. Die ebenfalls durch den Klimawandel verstärkten Westwinde in der Region spielen den Forschern zufolge eine zusätzliche Rolle. Eine anhaltende Ozeanerwärmung könnte die Geschwindigkeit des Zirkumpolarstromes weiter steigern, schreibt das Team.

Eine Veränderung der Strömung kann weitreichende Auswirkungen auf das Klima haben

Dass der Strom in Warmzeiten besonders schnell fließt, hatte erst in diesem Jahr ein Team des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven berichtet. Es hatte unter anderem einen 14 Meter langen Bohrkern mit Sedimenten analysiert, die sich innerhalb der vergangenen 140 000 Jahre abgelagert hatten. Damit erhielten die Forscher Informationen aus der letzten Eiszeit, die vor 115 000 Jahren begann und vor 11 700 Jahren endete, und auch aus der letzten Warmzeit. Ergebnis der im Journal Nature Communications präsentierten Studie: Während der letzten Warmzeit war der Zirkumpolarstrom schneller als heute.

"Auf dem Höhepunkt der letzten Warmzeit von 115 000 bis 130 000 Jahren vor heute war es weltweit im Schnitt 1,5 bis 2 Grad Celsius wärmer als heute. Der Zirkumpolarstrom könnte sich also im Zuge der globalen Erwärmung in Zukunft beschleunigen", sagt Mitautor Frank Lamy. Das hätte weitreichende Auswirkungen auf das Klima. So präge der Zirkumpolarstrom etwa andere Ozeanströmungen wie den Golfstrom, der das Klima in Nordwesteuropa mitbestimmt. "Die neue Studie stimmt sehr, sehr schön überein mit unseren Ergebnissen", sagte Lamy.

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