Erde extrem:Ein schauerlicher Rekord

Gleich mehrere Orte streiten sich um den Spitzenplatz unter den regenreichsten Punkten der Welt. Zum Glück liegt keiner davon in Deutschland.

Markus C. Schulte von Drach

Als der britische Seefahrer James Cook im Januar 1778 im Pazifik auf bislang unbekannte Inseln stieß, hatte er bereits eine ganze Reihe von Entdeckungen gemacht.

Erde extrem: Der Mount Waialeale auf Kauai, Hawaii, ist auf jeden Fall einer der feuchtesten Orte der Welt.

Der Mount Waialeale auf Kauai, Hawaii, ist auf jeden Fall einer der feuchtesten Orte der Welt.

(Foto: Foto: Google Earth)

Doch Kauai war aus mehreren Gründen etwas ganz Besonderes. So erschien Cook den Polynesiern, die bereits seit mehr als 1000 Jahren auf den Hawaii-Inseln lebten, als Gott. Dementsprechend freundlich wurden die Europäer empfangen.

Als sie im November des selben Jahres zurückkehrten, fand zufälligerweise auch noch das Fest des Gottes Lono statt, für den Cook gehalten wurde. Zwei Wochen feierten die Briten mit den Einheimischen - dann brachen sie wieder auf, gerieten in einen Sturm und kehrten erneut um.

Diesmal aber, im Februar 1779, waren die arg mitgenommenen Schiffe Resolution und Discovery kein ehrfurchtgebietender Anblick mehr. Cook verlor den Gottesstatus und die Insulaner den Respekt vor den Europäern. Im Streit um ein von den Hawaiianern gestohlenes Beiboot wurde Cook schließlich erstochen.

So kam es, dass der große Seefahrer selbst nicht mehr von den eindrucksvollen Eigenschaften der Inseln berichten konnte. Zum Beispiel davon, dass hier auf engsten Raum eine einzigartige Vielfalt völlig unterschiedlicher Klimazonen existiert.

Überzeugte Hawaiianer

Die Vulkaninseln ragen hoch über den Meeresspiegel hinaus, so dass die Feuchtigkeit der Nordost-Passatwinde sich auf der einen Seite der Insel vor den Bergen niederschlägt, während auf der anderen Hälfte ein relativ trockenes Klima herrscht.

Erde extrem: Die ständigen Niederschläge speisen unzählige Wasserfälle in den Bergen Kauais.

Die ständigen Niederschläge speisen unzählige Wasserfälle in den Bergen Kauais.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Gerade auf Kauai, der "Garteninsel", hängen ständig Regenwolken vor dem 1569 Meter hohen Mount Waialeale, und halten den darunterliegenden Alakai-Sumpf feucht.

11.684 Millimeter Niederschlag (also 11.648 Liter pro Quadratmeter) im Jahr wurden hier auf einer Höhe von 467 Metern über einen Zeitraum von 32 Jahren gemessen. Und im Jahre 1982 waren es sogar 17.340 Millimeter.

Für viele Menschen gilt das als Beweis dafür, dass der Mount Waialeale der regenreichste Ort der Welt ist. Insbesondere die Hawaiianer gehen davon aus.

Konkurrent Mawsynram

Erde extrem: Das Dorf Mawsynram in den Khasi-Bergen im indischen Bundesstaat Meghalaya. Der Name des Staates bedeutet "Wohnsitz der Wolken".

Das Dorf Mawsynram in den Khasi-Bergen im indischen Bundesstaat Meghalaya. Der Name des Staates bedeutet "Wohnsitz der Wolken".

(Foto: Foto: Google Earth)

Doch es gibt einen Ort, der dem hawaiianischen Berg den Rang nicht nur streitig macht, sondern offiziell abgelaufen hat: Das Dorf Mawsynram in den Khasi-Bergen im indischen Bundesstaat Meghalaya, auf einer Höhe von etwa 1430 Metern. Und nicht von ungefähr bedeutet der Name des Staates "Wohnsitz der Wolken".

Hier, im Nordosten Indiens, am Rande des Tieflandes von Bangladesch, ist der Sommer dank des Monsuns so reich an Niederschlägen, dass die Rekordwächter der University of Arizona in Tempe ihn zum Spitzenreiter erklärt haben. 11.872 Millimeter im Jahresdurchschnitt, also fast 200 Liter pro Jahr mehr als am Mount Waialeale, wurden hier über einen Zeitraum von 38 Jahren gemessen.

Problematisch ist, dass die Messungen in Mawsynram vom indischen Wetterdienst selbst eigentlich als unzuverlässig betrachtet werden, und stattdessen die Werte aus der Station der 16 Kilometer entfernten Stadt Cherrapunji verwendet werden. Dort liegen die Niederschläge im Jahresdurchschnitt einigen Quellen zufolge "nur" bei 11.430 Litern pro Quadratmeter, gemessen über 74 Jahre.

Andere Quellen behaupten dagegen, hier seien über 30 Jahre sogar 12.670 Liter pro Quadratmeter pro Jahr gemessen worden. Und zwischen dem 1.8.1860 und dem 31.7.1861 kamen sage und schreibe 26.461 Liter pro Quadratmeter vom Himmel - was zumindest ein Ein-Jahres-Rekord ist.

Auf jeden Fall aber ist die Region, in der die Einheimischen übrigens matriarchalisch organisiert sind, im Jahresdurchschnitt so nass wie keine andere.

Im Unterschied zu den Daten aus Hawaii, wo es am Mount Waialeale fast ständig regnet, setzt sich der Durchschnittswert aus Indien aus regenreichen und regenarmen Tagen zusammen, so dass die Zahlen eigentlich nicht direkt verglichen werden können. Trotzdem hat auch dem amerikanischen Wetterdienst NOAA zufolge Mawsynram im Rennen um den Regen-Rekord die Nase.

Konkurrent Lloro

Erde extrem: Einigen Quellen zufolge ist Cherrapunji der feuchteste Ort der Welt.

Einigen Quellen zufolge ist Cherrapunji der feuchteste Ort der Welt.

(Foto: Foto: R.Mehra/Verwendung gemäß GNU Free Documentation License)

Den Rekord sprechen die US-Experten allerdings trotzdem nicht der indischen Ortschaft zu, sondern Lloro in Kolumbien. Dort wurden jährliche Niederschlagsmengen von Durchschnittlich 13.300 Millimeter ... geschätzt. Deshalb läuft der südamerikanische Wert gewissermaßen außer Konkurrenz.

Die größte Niederschlagsmenge, die jemals innerhalb von 24 Stunden gemessen wurde, liegt übrigens bei 1870 Litern pro Quadratmeter. Nass wurde damals, am 15. und 16. März 1953, die Ortschaft Cilaos auf der französischen Insel La Réunion im Indischen Ozean.

Die mittlere Niederschlagsmenge in Deutschland liegt über die Jahre bei fast 800 Litern pro Quadratmeter. 2007 war es allerdings besonders nass. In diesem Jahr regnete es fast 130 Liter mehr auf den Quadratmeter. Der nasseste Ort war 2007 laut dem Deutschen Wetterdienst der Brocken im Harz, wo 2713 Liter Wasser pro Quadratmeter gemessen wurden. Den Tagesrekord 2007 erreichte am 10. Juni Simbach am Inn: 109 Liter prasselten hier auf den Quadratmeter herunter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: