Erde extrem:Rekordhitze im Sandsturm

Am 13. September 1922 kletterte die Quecksilbersäule des Thermometers in der Wetterstation von El Azizia im Süden von Tripolis auf 57,8 Grad Celsius. Im Schatten. Lange galt das als die bislang höchste gemessene Temperatur.

Von Markus C. Schulte von Drach

Ein heißer Sandsturm jagte am 13. September 1922 im Süden der Stadt Tripolis über die Sahara. Doch den Meteorologen, der für die italienische Regierung in der Region das Wetter beobachtete, hinderte das nicht daran, seiner Arbeit nachzugehen.

Erde extrem: El Azizia in Libyen hält den Hitzerekord.

El Azizia in Libyen hält den Hitzerekord.

(Foto: Foto: Google Earth)

Ungeachtet der widrigen Wetterbedingungen - der heiße, als Gibli bezeichnete Wind wehte schon den zweiten Tag - prüfte er die Daten der Wetterstation in El Azizia, einer Stadt 55 Kilometer südöstlich von Tripolis.

Seit dem italienisch-türkischen Krieg 1911/12 herrschte die europäische Kolonialmacht in Libyen, 1921 war Tripolitanien, die Region um Tripolis im Nordwesten des Landes, fest in der Hand der Italiener.

Und nachdem bereits die Türken zur Zeit des Osmanischen Reichs in Libyen mit Wetteraufzeichnungen begonnen hatten, führten die Italiener die Arbeit fort.

In einer Station im Zentrum von El Azizia, auf dem Grundstück eines italienischen Landwirtes, hatten die Meteorologen ihr Messinstrument aufgebaut.

Fachleute der Arizona State University in Tempe vermuten, dass es sich um ein einfaches Maximum/Minimum-Thermometer handelte, das sich in einem jener Schutzgehäuse befand, die der Vater von Robert Louis Stevenson, Thomas Stevenson, im 19. Jahrhundert entwickelt hatte.

Solche luftigen Boxen schützen noch heute Messgeräte vor Regen und direkter Sonnenstrahlung. Ob die US-Wissenschaftler richtig tippen, lässt sich nicht mehr überprüfen.

Sichere Daten

Sicherheit besteht jedoch über die Zahlen, die das Thermometer angezeigt hat. Denn die italienischen Wetterbeobachter haben ihre Daten in einem Buch mit jährlichen Temperaturmessungen für das Regionale Zentralbüro für Meteorologie und Geodynamik in Rom festgehalten.

Erde extrem: Am 13. September 1922 fegte ein heißer Wind aus der Sahara über El Azizia.

Am 13. September 1922 fegte ein heißer Wind aus der Sahara über El Azizia.

(Foto: Foto: AP)

Und dieses Dokument existiert noch: Für jeden Tag wurde die niedrigste und die höchste Temperatur aufgezeichnet, für jeden Monat ein Durchschnittswert errechnet.

Und am 13. September 1922 war es so weit: Während draußen der Sandsturm blies, stieg die Temperatur im Stevenson-Gehäuse der Station auf 57,8 Grad Celsius (136 Grad Fahrenheit). Im Schatten wohlgemerkt.

Es war die bislang höchste Temperatur, die ein Messinstrument in Bodennähe jemals aufgenommen hatte - und bis heute ist der Rekord ungebrochen. Fast 60 Grad im Wetterhäuschen - das bedeutet, der Boden muss so heiß gewesen sein, dass man ohne Schuhe kaum noch laufen konnte.

Vorgänger Death Valley

Erde extrem: Daten des Nasa-Satelliten "Aqua" zeigen die höchsten Bodentemperaturwerte in den Jahren 2003 bis 2005.

Daten des Nasa-Satelliten "Aqua" zeigen die höchsten Bodentemperaturwerte in den Jahren 2003 bis 2005.

(Foto: Foto: Nasa)

Zum Glück für die Bewohner des Handelszentrums El Azizia in der Jeffara-Ebene an der Mittelmeerküste war diese Hitze eher eine Ausnahme. Der wärmste Monat ist der Juli mit einer Durchschnittstemperatur von etwa 37 Grad Celsius.

Vor dem Jahre 1922 hatte das Death Valley in Kalifornien den Titel "Heißester Ort der Welt" getragen. Hier war die Quecksilbersäule am 10. Juli 1913 auf einen Spitzenwert von 56,7 Grad Celsius gestiegen. Bei einer solchen mörderischen Hitze trägt das Tal demnach seinen Namen zu Recht.

Betrachtet man allerdings die Jahresdurchschnittstemperatur, so liegt der heißeste Ort weder in Libyen, noch in den USA.

In der äthiopischen Dallol-Senke, einem Teil der Danakil-Wüste, wurde in den Jahren 1960-66 eine Jahresdurchschnittstemperatur von 34,4 Grad Celsius gemessen. Über den öden Salzebenen und gelben Schwefelfeldern um den Vulkan Erta Ale kann die Temperatur bis über 60 Grad steigen - allerdings in der Sonne.

Konkurrent Dasht-e Lut

Erde extrem: Die iranische Salzwüste Dasht-e Lut hält den Rekord für den heißesten Boden.

Die iranische Salzwüste Dasht-e Lut hält den Rekord für den heißesten Boden.

(Foto: Foto: Nasa)

Konkurrenz macht dem libyschen Hotspot die Salzwüste Dasht-e Lut im Südosten Irans. Dort haben die Nasa-Satelliten Terra und Aqua in den vergangenen Jahren beobachtet, dass der Boden sich auf eine Temperatur von bis zu 70,7 Grad Celsius aufheizt. Das aber lässt sich natürlich nicht mit der Messung des Thermometers von El Azizia im Jahre 1922 vergleichen.

Für die Experten der Arizona State University, die der World Meteorological Organization der UN zuarbeiten, stellt der Wert aus Libyen noch immer den Hitzerekord dar. Wer Einspruch erheben möchte, soll neue Daten schicken an:

Dr. Randy Cerveny WMO Commission for Climatology Rapporteur School of Geographical Sciences Arizona State University Tempe AZ 85287-0104 USA

Update: 2012 entschied die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf, dass es sich bei der Messung in Libyen möglicherweise um einen Messfehler handelt. Offizieller Rekord sind nun die 56,7 Grad Celsius, die am 10. Juli 1913 im Death Valley, USA, gemessen wurden.

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