Erde extrem:Der Mars auf Erden

Wenn man die Einheimischen fragt, wie oft es regnet, lautet die Antwort: Nie. In der Atacamawüste sind die Bedingungen so außergewöhnlich, dass die Nasa sich hier sogar auf ihre Mars-Missionen vorbereitet.

Markus C. Schulte von Drach

Es hat einen guten Grund, warum die Nasa ausgerechnet hier versucht hat herauszufinden, wie sich mit Hilfe von Robotersonden auf dem Mars nach Spuren von Leben suchen lässt.

Erde extrem: Vorbereitungen auf Marsmissionen: "Zoë" auf der Suche nach Leben in der Atacamawüste.

Vorbereitungen auf Marsmissionen: "Zoë" auf der Suche nach Leben in der Atacamawüste.

(Foto: Foto: Nasa/Carnegie Mellon University)

Die Atacamawüste, die sich von Perus Südgrenze aus fast 1000 Kilometer bis in den Norden Chiles erstreckt, ist ähnlich unwirtlich wie der Rote Planet. Die 181.300 Quadratkilometer große Wüste liegt zwischen dem Pazifik im Westen und den Anden im Osten. Und diese Bedingungen führen zu einem ganz besonderen Klima.

Denn während die Anden dafür sorgen, dass die Ostwinde bereits über dem Amazonasbecken abregnen und es deshalb westlich der Berge so gut wie keine Niederschläge gibt, verhindert der kühle Humboldtstrom vor der Küste Chiles, dass Regenwolken entstehen.

In manchen Teilen der Wüste wurde seit Beginn der Aufzeichnungen noch kein Tropfen Regen gemessen. Es gibt Flussbetten, die seit 120.000 Jahren kein Wasser mehr führen.

Und schottische Forscher konnten mindestens 20 Millionen Jahre alte Sedimente auf der Oberfläche identifizieren, die jeder Wüstenregen hätte wegspülen müssen.

Seit 20 Millionen Jahren trocken

Das beweist, dass es hier seit sehr, sehr langer Zeit kaum Niederschläge gegeben hat - länger als in den bekannten etwa zehn Millionen Jahre alten "Dry Valleys" der Antarktis oder der fünf Millionen Jahre alten Wüste Namib in Afrika.

Erde extrem: Es gibt Orte in der Atacamawüste, wo es nie regnet.

Es gibt Orte in der Atacamawüste, wo es nie regnet.

(Foto: Foto: Nasa/Carnegie Mellon University)

Immerhin aber tritt in Chile in Küstennähe ein Nebel auf, der sogenannte Camanchaca, der einige Regionen so feucht hält, dass dort zum Beispiel Kakteen wachsen. Auch sorgt das Klimaphänomen El Niño alle sechs bis zehn Jahre für heftige Regenfälle, die die Wüste an manchen Stellen erblühen lassen.

Doch aufgrund der Cordillera de la Costa, Chiles bis zu 3000 Meter hohem Küstengebirge, werden große Teile der Atacama von den Küstennebeln nicht erreicht. Und wenn die Geräte der Nasa hier im Boden Leben entdecken, dann schaffen sie es vielleicht auch auf fremden Planeten. Vorausgesetzt natürlich, es gibt dort Leben.

Die Viking-Sonden etwa, die in den siebziger Jahren auf dem Mars gelandet waren und vergeblich nach Leben gesucht hatten, wären auch in der Atacamawüste nicht fündig geworden, wie Experimente von Forschern der Universidad Nacional Autónoma de México in Mexiko-Stadt gezeigt haben. Und zwar, obwohl dort durchaus Bakterien existieren.

Die Mikroorganismen leben offenbar außerhalb der Reichweite der Sonden im Boden der ziemlich kühlen Wüste, wie Wissenschaftler der University of Arizona in Tucson zeigen konnten. Sie entdeckten in Proben aus einer Tiefe von 20 bis 30 Zentimetern Bakterien.

Und Wissenschaftler der Carnegie Mellon University in Pittsburgh haben zusammen mit der Nasa ein System zum Aufspüren von Leben entwickelt und auf einer Art Mars-Rover-Imitat namens Zoë in der Atacamawüste getestet - ebenfalls mit Erfolg.

Regenloses Arica

Erde extrem: Arica liegt an der Grenze zwischen Chile und Peru.

Arica liegt an der Grenze zwischen Chile und Peru.

(Foto: Foto: Nasa)

Zwar sind die Forscher vorsichtig, wenn es um einen Vergleich der Atacamawüste mit den Bedingungen auf dem Mars geht. Doch für die Mission der Mars-Sonde Phoenix, die gerade auf dem Planeten gelandet ist, haben die Nasa-Forscher auch die Erfahrungen aus Chile berücksichtigt: Phoenix ist als "Planetenbagger" konzipiert.

Den offiziellen Rekord für einen Mangel an Niederschlägen hält dem US-amerikanischen National Climatic Data Center sowie den Experten der Arizona State University in Tempe und der World Meteorological Organization zufolge Arica.

Die Stadt, 65 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, gehörte bis 1883 zu Peru, wurde während des Krieges um die Salpetervorkommen der Atacamawüste (Salpeterkrieg) jedoch von Chile eingenommen und ist seitdem die nördlichste Stadt des Landes.

Es regnet hier so gut wie nie: Über einen Zeitraum von 59 Jahren wurden von den Meteorologen 0,76 Millimeter im Jahresdurchschnitt gemessen - also weniger als ein Liter pro Jahr! Ein weiterer Rekord, den Arica aufgestellt hat: die längste Trockenperiode. Zwischen Oktober 1903 und Januar 1918 gab es überhaupt keine Niederschläge.

Stadt des ewigen Frühlings

Erde extrem: Die Atacama ist eine sehr kalte Wüste. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 19 Grad.

Die Atacama ist eine sehr kalte Wüste. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 19 Grad.

(Foto: Foto: Nasa/Carnegie Mellon University)

Dass der Ort, der auch als "Stadt des ewigen Frühlings" bekannt ist, trotzdem nicht austrocknet, liegt an den Flüssen Río Lluta und Río San José de Azapa, die in den Anden entspringen und hier in den Pazifik münden.

Die Bedingungen für Landwirtschaft sind so gut, dass sich im Tal von Arica bereits um das Jahr 8000 vor unserer Zeitrechnung das Volk der Chinchorros ansiedelte.

1540 gründeten die spanischen Konquistadoren dann die Stadt am Fuße des Berges El Morro, in deren Nähe Archäologen Mumien entdeckt haben, die etwa 7000 bis 8000 Jahre alt sind. Damit sind es die ältesten Mumien der Welt.

Konkurrent Quillagua

Erde extrem: Das Dorf Quillagua im Tal des Río Loa.

Das Dorf Quillagua im Tal des Río Loa.

(Foto: Foto: Nasa)

Der Trockenheitsrekord wird Arica allerdings von Quillagua streitig gemacht, einem Dorf in der Atacamawüste in der Nähe der Küstenstadt Antofagasta.

Hier soll die Wetterstation nach Angaben der Unesco im Jahresdurchschnitt zwischen 1964 und 2001 sogar nur 0,5 Millimeter Regen gemessen haben.

Auch hier ist es ein Fluss, der Río Loa, der eine Oase - und damit die Menschen - mit Wasser versorgt. Das Tal des Río Loa, der längste Fluss in Chile, ist bekannt für prähistorische, ins Gestein und die Erde gekratzte Zeichnungen, sogenannte Geo- und Petroglyphen, und andere archäologische Funde.

Als Konkurrent Aricas und der Atacamawüste gelten auch die Dry Valleys der Antarktis. In diesen Trockentälern in der Ostantarktis gibt es nicht nur extrem wenig Niederschläge, wenn überhaupt - man findet auch kein Eis oder Schnee.

Die Temperaturen in diesem fast 5000 Quadratkilometer großen Gebiet liegen zwischen minus zehn und minus 50 Grad Celsius, es wehen häufig extrem starke und trockene Winde. Und angeblich ist hier seit mehreren Millionen Jahren kein Regen gefallen.

Offiziell wird allerdings der geringste Niederschlag in der Antarktis von der US-Südpolstation Amundsen-Scott gemeldet - und der Jahresdurchschnittswert liegt bei immerhin 20,3 Millimetern. Und das ist im Vergleich zu den Werten aus der Atacamawüste natürlich eine Riesenmenge.

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