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Erdbeben in Nepal:Wissenschaftler entdecken unheimliches Muster

  • Das Erdbeben, das sich westlich der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu ereignet hat, ist auf Plattenverschiebungen zurückzuführen.
  • Vier Zentimeter jährlich verschiebt sich die Indische Erdplatte nach Norden und kollidiert dabei mit der Eurasischen.
  • Geologen haben schon vor zwei Wochen Hinweise auf das Beben in Nepal entdeckt.

Von Christopher Schrader

Vier Zentimeter pro Jahr - nach menschlichen Maßstäben klingt das wie nichts, aber geologisch betrachtet ist es ein irres Tempo. Mit dieser Rate verschiebt sich die Indische Erdplatte nach Norden und kollidiert dabei mit der Eurasischen. Über Jahrmillionen sind so die Berge des Himalaja und das tibetische Hochplateau entstanden.

Begleitet ist dieser Prozess von Erdbeben: "Die Platten verhaken sich ineinander. Ab und zu bricht die Struktur, dann wird ruckartig Spannung frei und die Platten schieben sich übereinander", sagt Winfried Hanka vom Geoforschungszentrum Potsdam. Am Samstag hätten sich Teile des Landes in wenigen Sekunden drei Meter weit bewegt, ergänzt Colin Stark von der Columbia University bei CNN. Wellen rasten durch die Erde, sie führten im Erdbebengebiet dazu, dass Häuser einstürzten, Brücken kollabierten, Hänge abrutschten und Lawinen abgingen. Aber sie liefen unter der Erde weiter bis in andere Kontinente.

Messgeräte registrieren Wellen mit Zeitdifferenz

Die wichtigsten beiden Typen dieser Wellen können vier und sieben Kilometer pro Sekunde schnell sein. Messgeräte in entfernten Ländern registrierten sie daher mit einer Zeitdifferenz, aus der sich die Entfernung zum Erdbebenherd errechnen ließ. Schaltet man viele solche Geräte zusammen, können Erdbebenwarten wie in Potsdam das Epizentrum orten.

Die Wellen lieferten auch eine Information über die Stärke des Erdbebens. In Nepal nun hatte es eine Magnitude, wie Geologen sagen, von 7,8. Es war das stärkste Erdbeben dort seit 1934; damals wurde eine Magnitude von 8,1 erreicht. Die Skala ist logarithmisch aufgebaut, ein Punkt mehr bedeutet eine Zunahme der freigesetzten Energie um einen Faktor von 32.

Schäden unterschiedlichen Ausmaßes

Welche Schäden ein Erdbeben anrichtet, hängt aber auch von sozialen Faktoren ab. Trifft ein Erdbeben dicht besiedelte Gebiete in einem armen Land, sterben oft viele Menschen in den Trümmern von Häusern mit eher einfachem Baustandard. Das zeigt der Vergleich von zwei Erdbeben im Jahr 2010. Im Januar erschütterte ein Erdbeben der Magnitude 7,0 Port-au-Prince, die Hauptstadt Haitis. 316 000 Menschen starben. Sechs Wochen später bebte die Erde vor der chilenischen Küste. Trotz einer Magnitude von 8,8 gab es nur etwa 500 Tote.

Bislang lassen sich Erdbeben nicht vorhersagen. Oft liefert nur die Statistik eine grobe Schätzung. Geologen, die sich erst vor zwei Wochen in Kathmandu getroffen haben, weisen jetzt aber auf ein unheimliches Muster hin. Der Abschnitt westlich der nepalesischen Hauptstadt, wo diesmal das Epizentrum lag, habe zuletzt 1344 gebebt. Damals sei den Erdstößen 89 Jahre zuvor ein Ereignis östlich der Hauptstadt vorangegangen. Dieses Muster habe sich nun wiederholt, sagte Laurent Bollinger vom CEA-Forschungszentrum in Frankreich zur BBC. Auch das Erdbeben 1934, vor 81 Jahren, hatte sich östlich Kathmandus ereignet.

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SZ vom 28.04.2015/fie
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