Süddeutsche Zeitung

Erdbeben in den USA:Erschütternder Fracking-Boom

Die umstrittene Bohrtechnik Fracking kann offenbar die Gefahr von Erdbeben erhöhen. Deren Zahl hat während des Fracking-Booms in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Erzeugt das Verfahren Schwachstellen im Untergrund?

Von Christopher Schrader

Zu den Sorgen, die die umstrittene Bohrtechnik Fracking auslöst, gehört die Angst vor Erdbeben. Offenbar sind die Bedenken nicht grundlos, wie zwei Aufsätze in der aktuellen Ausgabe von Science zeigen.

So hat die Rate der Erdstöße im Zentrum der USA in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, zeigt William Ellsworth vom amtlichen Erdbebendienst U.S. Geological Survey (USGS) im kalifornischen Menlo Park. In den 1970er- bis 1990er-Jahren hatte es im Mittel 21 Ereignisse pro Jahr gegeben, die eine Stärke von 3 oder mehr erreichten. In den Jahren 2011 bis 2012 hat sich die Rate mit dem aktuellen Fracking-Boom nahezu versiebenfacht (Bd. 341, S. 142, 2013).

Das eigentliche Problem ist dabei nicht das Fracking selbst, bei dem die Bohrtrupps das Gestein in der Tiefe aufsprengen, damit darin gefangenes Erdgas zum Förderturm strömen kann. Gefährlicher dürfte das Verpressen des anfallenden Schmutzwassers sein, das die Firmen in andere Bohrlöcher drücken.

Das Volumen des Abwassers ändert die Druckverhältnisse unter Tage, und die Flüssigkeit wirkt wie ein Schmiermittel auf verkantete Gesteinsschichten. So ließen sich auch die Erdstöße erklären, die 2006 bei einem Geothermie-Projekt bei Basel auftraten und das Vorhaben beendeten.

Diesem an sich schon komplizierten Erklärungsmuster fügen Forscher um Nicholas van der Elst von der Columbia University in New York eine weitere Facette hinzu. Womöglich können Starkbeben in anderen Kontinenten Erdstöße in Regionen auslösen, in denen Fracking betrieben wird. Und zwar in einem Prozess mit zwei Schritten, haben die Forscher beobachtet.

So trat bei dem Ort Snyder in Texas in den Tagen nach dem Seebeben vor Japan, das im März 2011 zur Reaktorkatastrophe von Fukushima führte, ein ganzer Schwarm schwacher Erdbeben auf.

Offenbar hatten die durchlaufenden Erschütterungen kleine Brüche an lokalen Schwachstellen des Tiefengesteins ausgelöst. Dann, sechs Monate später, folgte ohne weiteren Auslöser ein Beben mit der Stärke 4,5 - deutlich zu spüren, aber nicht wirklich gefährlich.

Ein ähnliches Muster konstatieren die Forscher in Trinidad (Colorado) und Prague (Oklahoma). In beiden Fällen habe das Erdbeben vor Chile im Februar 2010 (Stärke 8,8) zunächst einen lokalen Schwarm kleiner Erdstöße ausgelöst und ein großes Beben anderthalb Jahre später begünstigt. In Prague erreichte es Stärke 5,7, verletzte zwei Menschen und zerstörte 14 Häuser.

Sollten sich Starkbeben als Auslöser bestätigen, wäre es eine große Erkenntnis der Seismologie. Die Forscher hätten nicht nur einen Beleg für Fernwirkung, sondern auch ein Warninstrument für diesen Spezialfall. Schwarmbeben könnten dann "ein Zeichen" sein, "beim Verpressen (von Fracking-Abwasser) den Druck und die Menge zu reduzieren", sagt William Ellsworth vom USGS in Science.

Allerdings ist die These bei Weitem nicht wasserdicht. An anderen Orten gilt das Muster nicht, zudem ist verwunderlich, warum das Fukushima-Beben in den Fracking-Gegenden in Colorado und Oklahoma folgenlos war. Es geschah schließlich zwischen dem angeblichen Auslöser, dem Chile-Beben, und den vermeintlich ausgelösten Erdstößen im Spätsommer und Herbst 2011.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2013/mcs
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