Entwicklung des Gehirns:Ganz schön verknöchert

Die Computertomografie eines drei Millionen Jahre alten Schädels liefert neue Einblicke in die Evolution des Menschen: Das moderne Gehirn entwickelte sich nicht zu dem Zeitpunkt, den Wissenschaftler bislang vermuteten.

Von Kathrin Zinkant

Der Kopf eines Kleinkindes birgt nicht nur eine Menge Trotz. Er spiegelt auch fundamentale Anpassungen an die Evolution des menschlichen Gehirns wider: So ermöglichen mehrere elastische Strukturen wie die Fontanelle und die Stirnnaht im Schädelknochen, dass das Denkorgan noch zwei Jahre nach der Geburt unbedrängt wachsen kann. Sie erleichtern zudem die Geburt selbst. Wann aber trat die Flexibilisierung des Schädels in der Evolution erstmals auf?

Wohl doch später als bislang vermutet, wie Forscher jetzt mithilfe eines modernen Computertomografen am sogenannten Taung-Kind gezeigt haben wollen. Das amerikanisch-südafrikanische Team ging mit seiner Analyse der am selben Fund aufgestellten Hypothese nach, derzufolge sich menschliche Vorfahren bereits vor drei Millionen Jahren auf eine massive Expansion des Gehirns eingestellt hatten. (PNAS Early Edition, Online) Das Taung-Kind gilt als Schlüsselfund, nicht nur in dieser Frage: Raymond Dart hatte den fossilen Schädel des vor 3 Millionen Jahren in Südafrika lebenden Kleinkinds 1924 entdeckt und Australopithecus africanus genannt, "Menschenaffe aus dem südlichen Afrika". Der Fund war zugleich der erste Beleg für Darwins Hypothese, dass sich die frühe Evolution des Menschen in Afrika ereignet hatte.

An dem Kinderschädel mit seinem fast unversehrten Kieferknochen fanden Wissenschaftler unter anderem Hinweise auf eine noch nicht ganz geschlossene Fontanelle und eine Stirnnaht, die beide auf eine fortgeschrittene Dehnbarkeit des Schädels schließen lassen. Die aktuelle Analyse des Taung-Schädels meldet jedoch massive Zweifel an diesen Befunden an. Vor allem die Schädelnaht zeigt sich demnach weitgehend geschlossen, auch konnten die Forscher an der angeblichen offenen Fontanelle keine typischen scharfen Ränder finden. Das Team glaubt, dass ihr Verfahren bei anderen Fundstücken zu ähnlichen Resultaten kommen wird.

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