Entdeckung von habitablen Planeten:Der Weg zu fremdem Leben

Die Entdeckung der Welt "Kepler-452b" ist ein gewaltiger Erfolg für die Planetenjäger der Nasa - und ein erster Schritt bei der Suche nach fremden Spezies.

Von Christoph Behrens

Für Astrophysiker, die nach lebensfreundlichen Welten Ausschau halten, war es eine gute Woche. Zuerst erklärte ein russischer Milliardär, er werde 100 Millionen US-Dollar in die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz investieren. Für das Seti-Institut, das mit Radioteleskopen den Himmel nach Signalen absucht, mal eben eine Verfünffachung des Budgets. Am Donnerstag dann verkündete die Nasa, ihr Weltraumteleskop Kepler habe einen möglicherweise lebensfreundlichen Planeten entdeckt, der nur wenig größer als die Erde ist und eine Art Doppelgängerin der Sonne umkreist.

Da wurde Jon Jenkins vom Ames Forschungszentrum der Nasa bei der Pressekonferenz ganz warm zumute: "Then felt I like some watcher of the skies - When a new planet swims into his ken.", rezitierte er ein Gedicht von John Keats: "Da fühlte ich mich wie ein Wächter der Himmel - da ein neuer Planet in ihren Kreis schwimmt." Wird es also nur noch wenige Jahre dauern, bis eine Art Lebenszeichen von so einem Planeten auf der Erde ankommt, ein handfester Beweis für Leben außerhalb des Sonnensystems?

Die Euphorie ist verfrüht, doch tatsächlich sind die Fortschritte, die Planetenjäger in den letzten Jahren erzielt haben, beachtlich. Gerade mal 20 Jahre ist es her, dass der allererste Planet außerhalb des Sonnensystems entdeckt wurde - dieser Exoplanet heißt "51 Pegasi b", ein heißes jupitergroßes Monstrum aus Gas, das in atemraubenden vier Erdentagen einmal um seinen Stern rast. Seitdem haben die Forscher immer kleinere, immer erdähnlichere Welten entdeckt, und heute ist Planetenentdecken schon fast Routine: 4696 mögliche Welten hat alleine das Kepler-Teleskop in sechs Jahren aufgespürt, 1879 solcher Kandidaten sind mittlerweile durch eine zweite Beobachtung bestätigt - macht rund einen neuen Planeten pro Tag. Ist der neue Himmelskörper mit Namen "Kepler-452b" in 1400 Lichtjahren Entfernung, den die Nasa überschwänglich als "Cousin der Erde" bezeichnet, da überhaupt noch etwas Besonderes?

Vor allem zeigt Kepler-452b deutlich, was die Forscher mittlerweile trotz einer Distanz von 1400 Lichtjahren, immerhin zwei Millionen Mal die derzeitige Distanz von der Erde bis zum Pluto, ablesen können - und was nicht.

Entdeckung von habitablen Planeten: Kepler-452b umkreist seinen Stern in ähnlichem Abstand wie die Erde die Sonne. Das "Kepler-186" System war bereits vor einiger Zeit entdeckt worden.

Kepler-452b umkreist seinen Stern in ähnlichem Abstand wie die Erde die Sonne. Das "Kepler-186" System war bereits vor einiger Zeit entdeckt worden.

(Foto: NASA/JPL-CalTech/R. Hurt)

So lässt sich bereits mit einer Genauigkeit von 20 Minuten abschätzen, wie lange ein Jahr auf Kepler-452b dauert. Das liegt an der Methode, mit der Exoplaneten üblicherweise aufgespürt werden. Da diese Planeten so weit entfernt sind und selbst kein Licht abgeben, misst das Kepler-Teleskop stattdessen die Helligkeit ihrer Sterne. Eine kurze Verdunkelung um einen winzigen Bruchteil deutet daraufhin, dass in diesem Moment wohl gerade ein Planet vor dem Stern vorbeirast. Anhand dieses Vorbeiflugs lässt sich die Dauer einer ganzen Umrundung errechnen - auf Kepler-452b dauert ein Jahr 385 Erdentage.

Der Exoplanet ist etwa 1,6 Mal so groß und 2 Milliarden Jahre älter wie die Erde, eine Art "älterer, größerer Cousin", so die Nasa. Der Stern von Kepler-452b ist mit geschätzten 5484 Grad Celsius Oberflächentemperatur annähernd so heiß wie die Sonne (5505 Grad). Selbst der größte Abstand zwischen Planet und Stern stimmt bis auf wenige Prozent mit dem zwischen Erde und Sonne überein. All das erhöht die Chancen, dass nicht zu viel oder zu wenig Wärme, Licht und UV-Strahlung die Planetenoberfläche erreichen, dort also gute Bedingungen für Leben herrschen könnten. "Der Fund ist signifikant", sagt deshalb Tilman Spohn, oberster Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. "Der Planet liegt ziemlich gut in der habitablen Zone."

Entdeckung von habitablen Planeten: Zwölf bislang entdeckte Exoplaneten haben einen weniger als doppelt so großen Durchmesser wie die Erde und kreisen in der habitablen Zone um ihren Stern. Kepler-452b rotiert zudem um einen sonnenähnlichen Stern.

Zwölf bislang entdeckte Exoplaneten haben einen weniger als doppelt so großen Durchmesser wie die Erde und kreisen in der habitablen Zone um ihren Stern. Kepler-452b rotiert zudem um einen sonnenähnlichen Stern.

(Foto: NASA/JPL-CalTech/R. Hurt)

Die Atmosphäre ist für die Forscher eine Black Box - noch

Kepler mission finds near-Earth-size planet in habitable zone

Das Weltraumteleskop Kepler ist seit 2009 im All - und hat seitdem 4696 mögliche Exoplaneten gefunden

(Foto: dpa)

Doch wie sieht es auf Kepler-452b tatsächlich aus? Schon bei der Frage nach Gravitation und Oberfläche geraten die Forscher ins Schwimmen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Planet eine felsige Zusammensetzung hat, liegt zwischen 49 und 62 Prozent", schreiben die Forscher um Jenkins im Fachmagazin The Astronomical Journal. Denn die Masse und somit die Gravitation können die Wissenschaftler bislang nur grob schätzen. Genauer ginge es mit der sogenannten Doppler-Methode, bei der die Kraft abgeschätzt wird, die der Planet auf seinen Stern ausübt. "Das klappt aber momentan nur bei relativ hellen Sternen", sagt Astrophysiker Spohn. "Die Transit-Methode dagegen funktioniert eher bei leuchtschwachen Sternen."

Der Begriff "habitable Zone" sei zudem "ein sich entwickelndes Konzept", schränken die Forscher in der Veröffentlichung ein. "Das heißt vereinfacht gesagt, man nimmt die Erde, stellt sie sich in diesem Abstand zum fremden Stern vor und bestimmt dann die Temperatur, die dort herrschen würde", sagt Spohn. Dabei geht man davon aus, dass auch die Atmosphäre des Sterns so ähnlich wie die der Erde aufgebaut ist. In dem Fall, da sind sich die Nasa-Forscher sicher, könnte Wasser auf der Oberfläche flüssig vorliegen, sollte es das Molekül auf dem Planeten geben. Dies sehen die meisten Astrobiologen als wichtigste Voraussetzung für Leben an. Hätte Kepler-452b allerdings eine ganz andere Atmosphäre, etwa so wie die Venus, würde das die lebensfreundlichen Eigenschaften schnell zunichte machen. Leben, so wie auf der Erde, wäre dann nicht denkbar. Die Zusammensetzung der Atmosphäre ist für die Wissenschaftler jedoch eine Black Box. Auch ob der Planet etwa seismisch aktiv ist, also Vulkane besitzt, wie in einigen Medien bereits behauptet, lässt sich derzeit unmöglich sagen.

Die Unsicherheiten sind also groß, erst zukünftige Missionen können sie beseitigen. Das Kepler-Teleskop ist altersschwach, zwei wichtige Zahnräder, die das Gerät ausrichten, funktionieren seit zwei Jahren nicht mehr richtig. Das Gerät kreist in einem Orbit um die Sonne und kann nicht repariert werden. Doch die nächsten Teleskope werden bereits gebaut oder sind in Planung. Bis 2018 will die Nasa das "James-Webb-Weltraumteleskop" ins All schießen, das auch die Zusammensetzung von fremden Atmosphären untersuchen kann.

Die Esa plant mit der "Plato-Mission" bis zum Jahr 2024 Ähnliches. Plato könnte etwa die Lücke zwischen Transit- und Doppler-Methode schließen, also auch Dichte und Masse fremder Planeten messen. Die Teleskope der neuen Generation können zudem das Spektrum des Lichts, das die Planeten von ihren Sternen reflektieren, feiner analysieren - das erlaubt Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Atmosphäre. "Damit kann man herausbekommen, ob da Sauerstoff, Wasser oder Methan drin ist", sagt Spohn. Sauerstoff wäre etwa ein Hinweis auf Fotosynthese und somit ein erster "Biomarker", also ein handfestes Anzeichen für pflanzliche Aktivität.

Der Weg dahin ist zwar noch weit, doch zumindest müssen die neuen Teleskope nicht mehr unbedingt nach Zielen suchen - mit 4696 potenziellen Exoplaneten hat Kepler ja bereits eine beachtliche Vorarbeit geleistet.

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