Energieträger Kohle:Üppig, aber dreckig

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Kohle gibt es noch für viele Jahrzehnte. Neue Techniken zur CO2-Einlagerung könnten der Ressource eine große Zukunft bescheren.

Christopher Schrader

Kohle hat eine lange Vergangenheit und eine große Zukunft - Probleme macht sie aber in der Gegenwart. Jahrhundertelang hat sie den Wohlstand in Europa und Nordamerika gemehrt, hat aus Agrarstaaten Industrienationen gemacht. Und es liegen offiziellen Statistiken zufolge noch gewaltige Mengen Kohle in der Erde; mehr als zehnmal so viel Energie wie die Vorräte von konventionellem Erdgas und Erdöl zusammen kann sie noch liefern.

Das Image ist schlecht, denn Kohle hält mehrere Negativrekorde. (Foto: Foto: AFP)

Und doch gibt es zurzeit gegen keinen anderen Energieträger derart heftige, weltweite Bedenken. Sogar die Kernenergie findet bei Wissenschaftlern und den Bewohnern vieler Staaten mehr Freunde. Kohle hält schließlich Negativrekorde: Kein anderer Energierohstoff macht so viel Dreck beim Verbrennen, keiner setzt so viel klimaschädliches Kohlendioxid frei.

Mehr als 20.000 Milliarden Tonnen Braun- und Hartkohle haben Geologen auf den bewohnten Kontinenten aufgespürt, berichtet die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover in einer aktuellen Bilanz. Von dieser gewaltigen Menge verbraucht die Menschheit zurzeit winzige Bruchteile: 6,5 Milliarden Tonnen pro Jahr. Allein aus den gesicherten Reserven, die also mit heutiger Technik zu heutigen Preisen zu fördern sind, ließen sich demnach noch 133 Jahre lang Steinkohle und 270 Jahre Braunkohle gewinnen. Statische Reichweite nennen Fachleute solche Schätzungen.

Die größten Vorräte haben die USA, China und Russland, aber auch Deutschland besitzt beachtliche Ressourcen. Es liegt bei der Hartkohle auf Platz zehn und bei der Braunkohle auf Platz neun. Nirgendwo auf der Welt wird mehr Braunkohle gefördert und zur Stromerzeugung verbrannt.

Allerdings gibt es auch Zweifel am offiziellen Bild. So sei die statische Reichweite der Kohle in den vergangenen 20 Jahren von 1000 auf 130 Jahre gesunken, sagt Werner Zittel von der Münchner Beratungsfirma Ludwig-Bölkow-Systemtechnik.

Die gesicherten Reserven seien stärker geschrumpft als durch Abbau zu erklären ist; manche Länder hätten ihre Vorräte schlicht abgewertet. Aus vielen Teilen der Welt gebe es Berichte über Lieferengpässe. "Ich wäre nicht überrascht, wenn wir innerhalb der kommenden zehn Jahre auch mit der Kohle Probleme wie mit dem Öl bekämen", sagt Zittel.

Sandro Schmidt von der BGR räumt Probleme mit der offiziellen Statistik ein: "Insbesondere Staaten, die über viel Kohle verfügen, aktualisieren ihre Angaben nicht unbedingt jährlich." Die Kohlepreise seien bis 2003 jahrzehntelang gesunken, dann aber in fünf Jahren wieder um 44 Prozent gestiegen, da könne es schon Lieferengpässe geben. Die Reserven seien aber "ausreichend, um den zukünftigen Bedarf über viele Jahrzehnte problemlos zu decken".

Narben in der Erde

Für Umweltschützer ist die Zeit der Kohle trotzdem abgelaufen. Ihr Abbau erzeuge nicht nur hässliche Narben in der Erde - in den USA sind Firmen dazu übergangen, ganze Berge einzuebnen. Sie setze auch nicht zu verantwortende Mengen von Treibhausgasen frei.

Die Lösung für den Widerspruch zwischen sicherer Energie und Klimaschutz sehen viele Experten in der sogenannten CCS-Technik (Carbon Capture and Storage). Beim Verbrennen der Kohle soll das Kohlendioxid aufgefangen und später in geeignete geologische Hohlräume eingelagert werden: alte Erdgasfelder und Kohlegruben oder spezielle Sandsteinlagen. Zurzeit wird das Verfahren erst erprobt, aber längst erhalten Energiekonzerne die Genehmigung, neue Kohlekraftwerke zu errichten, wenn sie versprechen, CCS-Anlagen nachzurüsten.

Davon dürfte die Zukunft der Kohle abhängen. Falls die Erprobung scheitert, bleiben voraussichtlich gewaltige Mengen des Energieträgers in der Erde. Gelingt sie aber, schiebt die Industrie ein weiteres Verfahren nach: CTL (Coal to Liquid). Dahinter verbirgt sich eine von deutschen Chemikern in den 1920er-Jahren entwickelte Methode, Kohle zu verflüssigen.

Das ist seitdem das Mittel der Wahl, wenn es Probleme mit der Ölversorgung gibt: in Nazi-Deutschland genauso wie in Südafrika zur Zeit der Apartheid. Mit CCS und CTL zusammen könnte Kohle den Bedarf der wachsenden Menschheit nach Strom und Benzin im Prinzip lange decken - falls sie die Bedingungen des Umwelt- und Klimaschutzes erfüllt.

© SZ vom 29.07.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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